Der Saft ist raus, die zyprische Wirtschaft ist am Verdorren. Und warum? Weil man von Resteuropa wirtschaftlich geknebelt wird? Nein, Zypern ist pleite weil die Finanzindustrie zu Lasten der ganzen zyprischen Bevölkerung bevorzugt wurde.
Die griechischen und russischen Sparer, wie auch allen anderen Anleger, haben in Zypern das letzte Jahrzehnt 6 bis 10 % Zinsen bekommen und darauf keine Steuern bezahlt. Zusätzlich hat man hauptsächlich in die maroden griechischen Staatsanleihen investiert. In vielen Fällen haben vermögende Griechen ihrem Staat genau das Geld geliehen, das sie ihm vorher vorenthalten haben. Der Dieb leiht dem Bestohlenen Geld um den Diebstahl auszugleichen. Dreister geht es kaum.
Jetzt sollen Anleger auf Beträge über 100.000,00 € einmalig einen Vermögensabschlag von 20% zahlen. Das ist ein geringer Ausgleich für die jahrelange Steuerabstinenz, die dazu geführt hat dass Griechenland und Zypern marode Staatsfinanzen haben und bei Russland wahrscheinlich nur der Gas- und Rohstoffexport Schlimmeres verhütet hat.
Sind 20% einmaliger Abschlag viel?
Schauen wir uns mal andere Fälle im europäischen Umfeld an. Ein sehr ähnlicher Fall ist das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen. Deutsche Sparer in der Schweiz haben das letzte Jahrzehnt 2 bis 3 % Zins bekommen und eine Verrechnungssteuer von 35% entrichtet, sie sollen jetzt einen Vermögensabschlag von 21 bis 41% leisten und zukünftig zusätzlich über 26% Steuern an den deutschen Staat leisten. Der Schweizer Staat ist finanziell sehr gesund, dem deutschen geht es nicht schlecht.
Die deutschen Sparer, die im eigenen Land Geld aufs Konto legen bekommen unter 2% Zinsen, zahlen über 26% Quellensteuer und bescheren dem deutschen Staat ein gerade so auskömmliches Steueraufkommen. Auf einen Vermögensabschlag hat man verzichtet und stattdessen frühzeitig einen Solidaritätszuschlag erhoben.
In beiden Fällen hat man bisher schon versucht die Balance zu halten und ist deshalb nicht ausgeblutet. Zukünftig schließt man zusätzlich die Schlupflöcher für Schwarzgeld und kriminelle Aktivitäten. In Zypern ist das nicht der Fall. Eine zukünftige Quellensteuer wurde (noch) nicht festgeschrieben. Es bleibt ein Paradies und schummriger Hafen für dubiose Finanzen.
Wie hoch war denn das Risiko für die Gelder in Zypern?
Wusste man von der Gefahr Teile des Investments zu verlieren?
Sicher wusste man es, denn es wurden hohe Zinsen geboten. Hohe Zinsen entsprechen immer auch einem hohen Risiko, so wie hohe Versicherungsprämien eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadensfalls zum Ausdruck bringen. Und dieses Risiko kann man anhand der Zinsen berechnen bzw. errechnen wie es von den Banken eingeschätzt wird. Interbank-Zinsen plus „verrentete Verlustwahrscheinichkeit“ plus Verwaltungskosten plus Bankdividende gleich Kreditzinsen. Guthabenzinsen gleich Kreditzinsen minus zweimal Verwaltungskosten minus zweimal Bankdividende. Verlustwahrscheinlichkeit gleich 1 durch Guthabenzinsen minus Interbank-Zinsen minus Verwaltungskosten minus Bankdividende.
Für eine Umsetzung in der Realität braucht man den Hebel aus Bank-Eigenkapital und Verleihvolumen um damit aus der Dividende im Aktionärsbericht die Bankdividende pro Krediteinheit zu berechnen. Die Verwaltungskosten liegen bei 0,5% bis 1%, mit 0,7% hat man eine über-den-Daumen-Größe. Interbank-Zinsen kann man mit 1% ansetzen.
Ein Zinsatz von 3,7% bedeutet damit 2% Risikoanteil, woraus ein statistischer Totalausfall alle 50 Jahre oder 50% Cut alle 25 Jahre errechenbar sind – mittleres Risiko. Ein Zinssatz wie in Zypern von 9% hat demnach einen Risikoanteil von 7,3%, woraus sich ein Totalausfall alle 13 Jahre ergibt, bei einer Zehn-Jahres-Anleihe sind das eine 76% Wahrscheinlichkeit, dass sie crasht – todsicheres Risiko, von vier derartigen Anleihen sind drei ein Totalausfall ohne Rückzahlung.
Und was ist die Regel in anderen Ländern?
In einer ausgewogenen und stabilen Volkswirtschaft ist dieser Risikoanteil gleich der Inflationsrate, in diesem Fall wird der Bankrott des Staates quasi verleast und in Häppchen abgearbeitet. Wird eine künstliche Stabilität, wie im Falle der inflatiophoben EZB, aufrechterhalten, dann kumuliert der verbleibende Risikoanteil und der Crash-Zeitpunkt kann daraus voraus berechnet werden. Eine simple Dreisatzrechnung, mit ihr kann man trotzdem alle entsprechenden Ereignisse seit der französischen Revolution gut abbilden.
Es kann also keiner sagen er hätte es nicht gewusst, seit dem Crash von Lehman Brothers Inc. kann auch niemand mehr guten Glauben geltend machen. Wer es danach noch nicht begriffen hatte, dessen Geschäfte können wegen erwiesener Debilität und fehlender Geschäftsfähigkeit rückabgewickelt werden.
#379
Kann man einen Vorgang, der so vorausschaubar über uns hereinbricht wie Ebbe und Flut überhaupt eine Krise nennen?
Ja, eine Krise ist es definitiv – keine Katatstrophe, aber eine Krise. Denn der Begriff Krise bezeichnet eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation (lt. Wikipedia). Daraus kann man schon ableiten wie man Krisen abwendet. Man entscheidet einfach für eine Richtungsänderung, bevor sie entstehen und man zur Entscheidung gezwungen ist oder wird.
Jeder Staat weiß wieviel Schulden er hat und wann er seine Finanzierung nicht mehr bedienen kann und insolvent wird. Das ist Monate und Jahre im Voraus berechenbar und weder Hellseherei noch Spökenkiekerei. Wenn man also aufhört sich in die Tasche zu lügen, Tricks und Kniffe anzuwenden um über die Situation hinwegtäuschen, dann weiß man das, denn der Tag der Offenbarung(seide) kommt.
Oder als Allegorie, die Farbe des Fasses täuscht nicht über die Begrenztheit des Inhalts hinweg und wenn man schneller rausschöpft als es hineinfließt, dann wird es unweigerlich leer. Und je üppiger geschöpft wurde, desto größer ist der Schmerz des Versiegens. Es ist eben keine Quelle, sondern nur ein Fass. Und wenn man erklärt, dass der Liter bloß noch halb so groß ist (wie die USA es tun), dann ist trotzdem nicht mehr im Fass. Und wenn wie im Falle Griechenland, Spanien und Zypern andere Länder das Fass wieder auffüllen sollen, dann haben diese anderen auch Anspruch darauf beim zukünftigen Schöpfen aus demselben mitzureden.
Ja, es ist eine Krise, aber eine vermeidbare – man hätte nur das Schattengeld viel früher unter Druck setzen müssen.