Quis custodiet ipsos custodes?
Großflächig wurde gegen die Vorschriften der Bio-Siegel-Vergabe verstoßen und Eier unter Bedingungen produziert, die nicht den Anforderungen und schon gar nicht den Erwartungen der Verbraucher entsprechen. Trotzdem wurden die Produkte mit Bio-Kennzeichnungen versehen und als solche in Verkehr gebracht. Dies ist Betrug.
Dass die betreffenden Betriebe sich strafbar gemacht haben, und sich erhebliche wirtschaftliche Vorteile zu Lasten ihrer ehrlichen Konkurrenten und der Konsumenten verschafft haben, steht fest. Ermittlungsverfahren laufen, Staatsanwaltschaften haben die Arbeit aufgenommen. Es ist zu hoffen, dass es auch zügig zu Festnahmen und Verurteilungen kommt, langjährige Haftstrafen sind möglich. Schließlich handelt es sich nach den ersten Informationen um gewerbs- und bandenmäßige Betrugshandlungen aus niederen Motiven.
Sind aber diese kriminellen Erzeuger die Hauptschuldigen an der Situation?
Nein, meiner Ansicht nach liegt die Schuld am Umfang der Verstöße an der unzureichenden Kontrolle, die den Freiraum für diese Vergehen gewährt hat. Da stellt sich die Frage nach dem Zertifikat. Wer hat diese Betriebe (nicht) geprüft und trotzdem das Prüfsiegel zugeteilt? Waren es Produkte nur mit EU-Siegel oder mit Verbandssiegel? Und warum wird dem auditierenden Prüfinstitut nicht sofort die Zulassung entzogen und alle von ihm vergebenen Zertifikate aufgehoben? Oder zumindest das verantwortliche Institut benannt und erklärt in wie weit man das Verfahren zum Entzug bereits vorangetrieben hat.
Das Verfahren ist klar geregelt im Öko-Landbaugesetz (ÖLG):
(5) Die Tätigkeit einer Kontrollstelle wird im Sinne des Artikels 27 Abs. 8 Satz 1 und Abs. 9 Buchstabe a bis d, ausgenommen die Entscheidung über den Entzug ihrer Zulassung, der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 von der zuständigen Behörde des Landes, in dem die Kontrollstelle ihre jeweilige Tätigkeit ausübt, überwacht.
[….]
Gelangen der zuständigen Behörde des Landes, in dem der Sitz oder die Niederlassung der Kontrollstelle liegt, Tatsachen nach Satz 2 Nr. 2 zur Kenntnis, so hat sie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung unter Mitteilung dieser Tatsachen zu ersuchen, ein Verfahren zum Entzug der Zulassung oder zur Aufnahme oder Änderung von Auflagen einzuleiten.
Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist gefordert. Sie hat umgehend zu handeln und die Kontrollstellen einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
- Gab und gibt es Korruption bei der Vergabe der Zertifikate?
- Wurden die eigentlichen Betriebsstätten nicht geprüft?
- Wieso konnte den Prüfinstituten monate- und jahrelang offensichtliche Missstände entgehen?
- Wie oft und in welchem Umfang prüft das Referat 521 des BLE die Güte der Zertifizierer?
- Oder wurde das BLE von den Landesbehörden nicht informiert?
- Haben die Landesbehörden gegen die gesetzliche Pflicht verstoßen?
- Welche Landesminister und Ministerpräsidenten haben jetzt mit Rücktrittsforderungen zu rechnen?
Zulassung weg?
Wenn man die Webseiten der Landesministerien und der Bundesanstalt besucht findet man nur Informationen über die Vergabe von Zertifikaten und die Zulassung als Prüfinstitut. Vom Entzug der Zulassung ist nirgends die Rede, dieser Fall scheint in der Eigenwahrnehmung der Kontrolleure der Kontrolle nicht vorzukommen. Dies wirft ein Licht auf die Psychologie hinter diesem Desaster. Unter Güte versteht man das gütige Hinwegsehen über strukturelle Defizite und Mängel, statt den Anspruch und das Ausmass der Qualität der durchgeführten Prüfprozesse.
GMO or not GMO, that’s the question
Würden Autoreifen und deren Prüfer so geprüft wie es bei Lebensmitteln die Regel zu sein scheint, dann wären die Straßenränder von Fahrzeugwracks gesäumt und die Krankenhäuser überfüllt. Dort führt Produktbetrug und Kontrollversagen unmittelbar zu sichtbaren Folgen. Bei Lebensmitteln kommt es in der Regel nicht zu unmittelbaren Vergiftungen, körperlichen Schäden oder gar dem Tod, aber eine Beeinflussung statistischer Größen der Lebensdauer oder der körperlichen Fitness ist in den meisten Fällen nachzuweisen.
Man kann es eher mit gefälschten Airbags vergleichen, solange kein Unfall passiert merkt es keiner. Beim Essen heißt das, solange keine Schwangeren und Kleinkinder das Zeug essen passiert auch nichts. Und im vorliegenden scheinen die Hauptleidtragenden nur die Hennen beim Eierlegen zu sein und der Geldbeutel des Endverbrauchers. Da dem Handel noch keine wirtschaftlichen Schäden entstanden sind wird er nicht einmal berechtigt zur Nebenklage antreten können.
Und dem Endverbraucher wird es schwer fallen nachzuweisen wann und wie oft er geschädigt wurde. Und gegen das Versagen der Prüfer der Prüfer hat er überhaupt keine Handhabe außer der politischen Meinungsäußerung.
Schreiben Sie deshalb an ihre Landtagsabgeordneten aller Parteien und bitten Sie um mehr Schutz für ehrliche Erzeuger und den Endverbraucher durch mehr Kontrolle der Kontrolleure.
Link-Hinweise
- Süddeutsche (24.03.2013) – Eier aus überfüllten Käfigen
- SpOn (24.03.2013) – Betrug mit Bio-Eiern
- Öko-Landbaugesetz (ÖLG)
- Kontrollstellen für EU-BIO-Siegel
- Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – Ökolandbau
- Webseite des EU-Bio-Siegel
- Alnatura zu Problemen bei Erzeugergemeinschaften
Update
24.02.2013 19:50 Uhr
Die federführende Staatsanwaltschaft in Oldenburg ist auch im Pferdefleisch-Skandal der letzten Wochen aktiv gewesen. Hier scheint jemand seinen Job ernst zu nehmen.
Einer Stellungnahme ist auch zu entnehmen, dass die meisten Beanstandungen und Durchsuchungen konventionelle Betriebe betreffen, die sich nicht an die Vorschriften und Bestimmungen in Bezug auf konventionelle Freilandhaltung zu halten scheinen. Es ist also ein Eier-Skandal, kein Bio-Eier-Skandal.
Der Spiegel nennt in seiner morgigen Print-Ausgabe den Öko-Verband Naturland als Prüfinstitution betroffener Bio-Erzeuger.