Die Beeinträchtigung der Demokratie beginnt bereits mit den Möglichkeiten der Abgeordneten sich zu informieren oder informiert zu werden. Viele Informationen und Akten sind nur über die Geheimschutzstelle verfügbar. Dort kann Einsicht in Unterlagen genommen werden, die als Geschäftsgeheimnis gelten oder eine VS/Geheim-Einstufung der Bundestagsverwaltung haben. Das sind Unterlagen, die auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen sollen. Beispielsweise Akten des BKA und des Verfassungsschutzes zum NSU-Terror und zum NPD-Verbotsverfahren.
Ebenso wird mit den Unterlagen zu einer juristischen Auseinandersetzung verfahren, die Deutschland 3,7 Milliarden Euro kosten könnte. Eine Auseinandersetzung, die demokratische Entscheidungen in Deutschland dauerhaft entwerten könnte. Manche nennen es eine Klage, aber eine Klage ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung, die Einleitung des Rechtswegs. Von einem Rechtsweg kann man in diesem Fall nicht sprechen. Es gibt keine Instanzen und kein geschriebenes Gesetz. Jedenfalls keines, das demokratisch beschlossen wurde und als Entscheidungsgrundlage fungiert.

Es geht hier um die Arbitration – das Schiedsgerichtsverfahren – am ICSID „Vattenfall vs. Germany“. Vattenfall klagt wegen der endgültigen Abschaltung seiner letzten Atommeiler in Krümmel und Brunsbüttel. Allerdings nicht nur mittels eines rechtsstaatlichen Verfahrens vor deutschen Gerichten wie es RWE und Eon handhaben. Sondern vor dem ICSID, dem International Centre for Settlement of Investment Disputes. Das ICSID ist eine privatrechtliche Einrichtung und kein staatliches Gericht. Auch kein Gericht nach dem Völkerrecht. Es ist der Weltbank angegliedert und tagt in deren Gebäude in Washington DC.
Das ICSID Schiedsgericht bietet Konzernen eine Plattform um einem Staat gleichberechtigt entgegenzutreten. Obwohl das Schiedsgericht kein Organ oder Gremium der UNO ist. Es kann staatliche Entschädigungszahlungen anordnen, wenn es befindet, dass die demokratischen Beschlüsse eines Parlaments oder andere Maßnahmen einer Regierung die „zu erwartenden zukünftigen Profite“ eines Unternehmens beeinträchtigen. Und mit Verträgen wie TTIP können sich Staaten vertragsrechtlich dem ICSID unterwerfen.
Bedeutung von Unternehmen
Dieses Konzept stellt von vornherein klar, dass die Ansprüche von Unternehmen als höherwertig betrachtet werden als die Souveränität und demokratischen Prozesse von Staaten. Es ermächtigt Unternehmen dazu, die Regierungen aller Unterzeichnerstaaten vor ein außergerichtliches Tribunal zu zitieren.
Ein Tribunal, das aus Berufsanwälten besteht, die durchaus zu anderen Zeiten Interessenvertreter des jeweiligen Unternehmens gewesen sein können. Ein Tribunal, das nicht nach geschriebenem Recht zu richten hat, sondern frei in seinen Beschlüssen ist. Ein Tribunal, das keine Revision und keine Beschluss-Prüfungsverfahren kennt. Ein Tribunal, das Anfang der 1960er Jahre geschaffen wurde um in einer Welt mit Diktatoren und Unrechtsregimen, einer Vielzahl gerade unabhängig gewordener Kolonien ohne entwickeltes Rechtssystem und fragwürdiger Staatlichkeit, einen Hilfsmechanismus der Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen. Ein Tribunal, das nicht gedacht war in demokratisch entwickelten Staaten das geschrieben Recht und dessen Gerichtsbarkeit zu umgehen.
Der bisherige TTIP-Verhandlungsführer, EU-Kommissar Karel De Gucht, erklärt es werde Transparenzregeln für die TTIP-Schiedsgerichte geben, spricht aber der nationalen Ebene jedes Recht auf Mitgestaltung des entsprechenden TTIP-Vertragsteils ab, da bilaterale Schiedsgerichtsbarkeit in die Hoheit der EU falle und nicht auf nationaler Ebene entscheiden wird. Er beteiligt in diesem Sinn aber auch nicht das EU-Parlament und wie es der zukünftige Nachfolger halten wird ist ebenso ungewiss.
Presseerklärungen eines EU-Kommissars sind ebenso wenig geschriebenes Recht wie es das Case Law der Schiedsgerichte darstellt. Es ist Recht qua Stand der Beteiligten, ständisches Recht, mittelalterliche Praxis und Abkehr von Aufklärung und demokratischem Transparenz- und Gleichheitsgebot.
Fazit
TTIP bedroht nicht nur die Möglichkeit sich als Staat selbstbestimmt zusammen zu schließen, sondern auch die Fähigkeit sich als solidarisches Kollektiv vor Übergriffen und Gefahren zu schützen.
Unternehmen haben Staaten nicht auf Augenhöhe zu begegnen. Es gibt gute und fundiert begründete Ursachen, warum Exekutive und Legislative die Handlungs- und Deutungshoheit haben und haben müssen, warum die Politik das Primat in der Demokratie haben muss und weshalb der Gestaltungswillen allein vom Volk ausgehen muss. Wer dagegen angeht, und diese erkämpften Rechte aufgibt, ist ein Feind der Verfassung, ein Gegner der Demokratie und stellt sich gegen Artikel 3 Grundgesetz.
Es heißt Gleichheit VOR dem Gesetz, nicht MIT dem Gesetz.
Liberté, Égalité, Fraternité ou la Mort.
Linkhinweise:
- Facebook-Nachricht von StopTheBigSix
- Friedrich-Ebert-Stiftung: Investitionsschutz am Scheideweg
- FR Online – 15 Juristen gegen die Demokratie
- taz.de – Unternehmen verklagen Staaten
- LeMonde diplomatique – TAFTA / TTIP, die große Unterwerfung
- Common Dreams Site – Corporation Uses NAFTA to Sue Canada Over Fracking Ban
- attac – Investitions-Schiedsverfahren kosten Steuerzahler Milliarden