Rund um die illegalen Abhöraktionen von NSA und GCHQ diskutieren Parlamente in Europa Möglichkeiten zum Einschreiten und zur Gegenwehr. Ein inzwischen beliebter gewordenes mögliches Mittel nennt sich „Keine Zustimmung zu TTIP“.
Diese Verwendung von TTIP als politisches Druckmittel ist gefährlich!
Für die Ausweitung des Schiedsgerichtsunwesens und der Absenkung der Sicherheitsstandards in der EU für US-Produkte darf es keine Zugeständnisse geben. Mit derartigen Ansätzen macht man die TTIP selbst zum Handelsobjekt, das sich die USA durch Wohlverhalten in anderen Bereichen, wie Prismgate, „erkaufen“ könnten.
Für die sinnvollen Teile von TTIP braucht es kein TTIP, die gelten bereits über andere bilaterale Abkommen. Alles was TTIP neu und zusätzlich einführt sind untragbare Einschränkungen. Stattdessen sollte man die bisherigen Investitionsschutzabkommen aufkündigen und bei den langen Übergangsfristen dann in 15-25 Jahren keine derartigen Belastungen mehr haben, statt sie neu zu implementieren.
Gegen die Ausspähung durch NSA und GCHQ müssen nur die im Inland möglichen rechtlichen Schritte unternommen werden. Strafantrag, Ermittlungsverfahren, Beweissicherung laut StPO §94. Die potentiellen Täter sind bekannt, die Orte an denen sich diese mutmaßlichen kriminellen Banden aufhalten ebenfalls (Dagger Komplex etc.) und die potentiellen Täter sind durch keine Geheim- oder Sonderabkommen geschützt. Die Diskussion zu diesem Thema hatten wir schon vor einem halben Jahr – ein Recht, das deutsche Regierungsstellen selbst nicht haben, können sie auch nicht im Rahmen eines Abkommens anderen gewähren.
Es ist dringend notwendig, dass der Rechtsstaatlichkeit uneingeschränkt Genüge getan wird. Dieses „Laissez-faire“ hat auch zur Krim-Krise und anderen Grenzüberschreitungen im tatsächlichen und übertragenen Sinn geführt. Das Völkerrecht und das internationale Strafrecht haben schleichend ihre Bindungswirkung verloren und haben ein Ansehen wie der Flensburger Bußgeldkatalog. Nur mit der zusätzlichen Einschränkung, dass im Moment niemand Strafpunkte verteilt. So geht es nicht weiter oder wir bekommen wieder die Zustände zu Zeiten des Völkerbundes, den Selbstbedienungsladen des Stärkeren.
Wenn Deutschland hart vorgeht, was könnte denn passieren?
Amerikanische Sanktionen? Wow, da haben wir aber Angst vor. Kein Heinz-Ketchup mehr? Kein Coke? Nein, mal ernsthaft, fürchtet jemand militärische Aktionen, Drohnenangriff, Einheiten aus Ramstein besetzen Berlin? Wie ist das denn bei einem Bündnisfall innerhalb des Bündnisses? Wer würde denn im Worst Case D’land beistehen?
Wahrscheinlich der Rest der Welt. Wenn die USA gegen D’land vorgehen würden, weil sich D’land gegen kriminelle Akte wendet und geltendes Recht anwendet, geltendes internationales Recht, dann wäre das der Rubikon der Neuzeit. Die USA würden jede Legitimität und jede moralische Rechtfertigung verlieren. Ich wüsste nicht, wer sich dann auf Seiten der USA schlagen würde ohne die Revolution im eigenen Land zu riskieren. Nicht mal die anderen 5EyeS wären da sichere Kandidaten. Unterstützung von Nordkorea? Boko Haram? Wer wäre denn so gewissenlos? Öffentlich gewissenlos?
Und man muss endlich aufhören das Ganze einen „Skandal“ zu nennen.
Es ist kein Skandal, ein Skandal ist etwas anstößiges, etwas Unanständiges, ein Ärgernis. Die Vorgänge sind das bei weitem nicht, sie sind eine kriminelle Aktivität, auf die in D’land Haftstrafen stehen. Sie wurden regelmäßig, fortgesetzt begangen. Es wurden Vereinigungen und Organisationen dafür eingerichtet, deshalb erfüllt das die Kriterien für organisierte Kriminalität. „Skandal“ ist eine Beschönigung, die Vorgänge auf der Krim in Odessa und Donetsk sind auch kein Skandal, die Kinderschändungen an der Odenwaldschule waren kein Skandal – es waren und sind Verbrechen.
Warum nennen wir es dann nicht NSA-Verbrechen? Oder 5EyeS-Verbrechen, wenn man wegen des „A“ Begriffsverwechslungen fürchtet. Oder meinetwegen PRISM-Kriminalität? Macht ein Preisausschreiben für den passenden Begriff, aber Skandal ist verharmlosend. Und hört auf von Privatsphäre in diesem Zusammenhang zu reden, es geht um die Intimsphäre, die verletzt wurde.
TTIP dabei zum Faustpfand zu machen, heißt den Freikauf zu einem Verbrechen anzubieten und für ein unüberprüfbares Versprechen Wiederholungstaten zu unterlassen Grundrechtseinschränkungen auf den Verhandlungstisch zu legen. Selbst wenn die USA Bluffdale und Fort Meade in die Luft sprengen, darf das keinen Einfluss auf die Positionen zu TTIP haben. Für einen so genannten Kuhhandel sind beide Angelegenheiten zu ernst.
TTIP muss komplett gekippt werden und ein eventuelles neues Handelsabkommen von Beginn an neu, offen und transparent verhandelt werden. Unter Beteiligung aller Betroffener, dazu zählt auch die Zivilgesellschaft in allen EU-Ländern und den USA.