Sind die alten eindimensionalen Kategorien „links“ und „rechts“ mitsamt den zugehörigen Parteien reif für den Müllhaufen der Geschichte?

Was heißt denn „links“? Sozialistisch? Kommunistisch? Marxistisch? Oder gar Arbeiter- und Bauernvertretung? Das passt doch nicht mehr in eine Zeit in der es keine Arbeiter und Bauern mehr gibt und die Produktionsmittel sich selber gehören. Und „rechts“? Monarchistisch? Klerikal kirchlich? Kapitalistisch? Nationalistisch? Die Parteien, die man als rechts klassifiziert sind nichts davon, selbst der Anspruch einiger national zu sein ist Schwachsinn. Gerade deren Programm ist der Nation am wenigsten zuträglich. Sind diese „nationalen“ Parteien die größten Vaterlandsverräter und die geringsten Patrioten.

Das Koordinatensystem ist relativ

Die Parteien in Deutschland lassen sich besser in ein zweidimensionales Koordinatensystem reaktionär-progressiv und libertär-regulatorisch einordnen. Wobei libertär nicht mit liberal verwechselt werden darf. Die Piraten sind dabei in den Quadrant progressiv-libertär einzuordenen diametral gegenüber der SPD, die den Nachbarquadranten reaktionär-regulatorisch besetzt. Zu Kohls Zeiten wäre in diesem Feld weiter außen die CDU gelandet, inzwischen hat sie die innere Wende vollzogen, die der Oggersheimer in den späten Achtziger-Jahren angekündigt hatte und ist über die Linie ins Feld progressiv-regulatorisch gewandert.

Dort, aber weiter oben auf der progressiven Achse, verharren die Grünen mit Trend Richtung reaktionär – was in den 90ern aktuell war ist eben inzwischen schon Tradition und von Gestern. Die FDP ist weder progressiv noch libertär, aber extrem reaktionär, traditionalistisch und am Ende der sichtbaren Linie, die radikalen Parteien wie NPD oder Pro Deutschland sind jenseits davon verstreut und nicht im sichtbaren Bereich, erfasst das System doch nur den geistig gesunden und seriösen Abschnitt der Politik. Die FDP muss aufpassen, dass sie an dieser Stelle nicht über die Kante rutscht. Das kann passieren, wenn sie ihre letzten liberal angehauchten Ankersteine, intellektuelle Köpfe wie die Justizministerin, kappt.

Die CSU ist ein Sonderfall, je nachdem was Seehofer gefrühstückt hat ist sie irgendwo anders, da ist kein Fleck sicher, die reinste Wundertüte, etwas für die Zocker unter den den Wählern.

Politische Globalisierung

Wenn man dann den internationalen Vergleich zieht, dann ist die CDU ein Pendant zu den amerikanischen Demokraten, die NPD spiegelt sich in der GOP, den Republikaner und ihrem Tea-Party-Flügel, die SPD findet sich in der französischen Wählergruppe Hollande und die FDP bei Berlusconis Bunga-Bunga-Verein oder der nationalrussischen Partei Putins. Romney bezeichnet Merkel-Deutschland als sozialistisch, weil sie Banken verstaatlicht und die Kernkraft verbietet. Manche Angehörige der Piraten-Partei stehen auf der Homeland Security Watchlist. 

Zum alten links-rechts-Schema fehlt nicht nur bei uns die feudale oder frühkapitalistische Gesellschaft, auf die es sich bezog. Das Konzept funktioniert nirgends mehr. Die Welt ist eine andere geworden.

Es gab Zeiten, da war alles einfacher, weil es einfach schrecklich war.

Erweiterung der Ebene zum Raum

Zu diesem Anderssein gehört auch eine Achse in die dritte Dimension – von pragmatisch nach dogmatisch. Hier verharren alle noch in der dogmatischen Tiefe. Nur einzelne Parteiangehörige wagen Ausbrüche nach oben zum Pragmatismus, als Parteilinie ist es noch nicht zu sehen. Aber da müssen wir noch froh sein in Deutschland. In anderen Ländern wie Russland oder Ägypten hat man den Fahrstuhl nach unten zum Betonboden des Dogmatismus in Bewegung gesetzt. Dort angekommen saugen sich die Dogmatiker fest in der Hoffnung, so mit dem Beton zu verschmelzen, dass man sie nicht mehr loswird.

Damit verlieren sie aber auch ihre Beweglichkeit in alle anderen Richtungen. Die Welt dreht sich von ihnen fort, die Realität verliert sie. Irgendwann ist ihre Betoninsel dann im Niemandsland der Absurdität angekommen. Je nach eigener Herkunft kann man dann über sie lachen oder Scham empfinden.

In dieser schönen neuen Welt suchen viele Politiker noch ihren Platz, verwirrt von der Weite und Offenheit, verunsichert durch den Verlust der alten Begrenztheit. Eine funktionierende ideologische Landkarte scheint ihnen zu fehlen, und Google Maps ist in diesem Fall kein Ersatz.

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