Der eine oder andere am ökonomischen Geschehen interessierte Bürger verlässt sich auf Theorien und Aussagen von Kenneth Ewart Boulding. Einem berühmt-berüchtigten 1993 gestorbenen Wirtschaftswissenschaftler. Beliebt ist unter seinen Anhängern das Zitat:

Anyone who believes exponential growth can go on forever in a finite world is either a madman or an economist.

Post-moderne Denkblockade

Dieser Ausspruch weist ihn einerseits als Kritiker der Ökonomen-Zunft aus und macht ihn andererseits zum Vertreter einer Philosophie der Limitierung. Das ist eine Denkschule, die unsere Zeit für eine postmoderne Ära hält. Eine Zeit in der die wesentlichen technologischen, kulturellen und zivilisatorischen Entwicklungen bereits erfolgt sind. Entwicklungen, die nur noch ihrer vollständigen Umsetzung harren. Für weiteren Fortschritt und Neuerungen ist nach dieser Lehre kein Platz mehr in der Welt.

Diese Denkweise vernachlässigt zuallererst, dass es neben dem quantitativen Wachstum auch ein qualitatives und ein systemisches Wachstum gibt. Da diese beiden Formen des zivilisatorischen Fortschritts nicht an physikalischen Ressourcen gebunden sind, sondern nur an den Fortbestand und die Anwendung der geistigen Fähigkeit, gibt es für sie auch keine endliche oder beschränkte Existenz.

Wachstum ist nicht gleich Wachstum

Als Muster für qualitatives Wachstum kann als Beispiel ein Vergleich einer Ikone des Automobilbaus, des VW Golf LS der ersten Generation, mit seinem aktuellen Nachfolger bzw. dem in Größe und Leistung immer noch überlegenen Einstiegsmodell der aktuellen VW-Polo-Baureihe empfohlen werden. Am Gewicht kann man die Menge verwendeter Ressourcen ablesen und zusammen mit dem Vergleich des Kaufpreises in durchschnittlichen Monatslöhnen, sieht man, dass heute wesentlich mehr Auto bei gleichem Einsatz von Lebensarbeitszeit zu bekommen ist. Qualitatives Wachstum statt solches in der Quantität. Oder man vergleiche ein iPhone 3GS mit einem TI-59 Taschenrechner in Preis,  Ressourcennutzung und Leistung.

Systemisches Wachstum findet durch Innovationen auf der Metaebene unserer Zivilisation statt. Hier kann man mit Blick auf Nordafrika Twitter und Facebook nennen, deren quantitatives Wachstum in der Virtualität stattfindet, aber vollständig in der realen Welt reflektiert wird und sich beim Interagieren mit dieser auch nicht beschränken lässt.

Oder die Tatsache, dass der technische Fortschritt mehr Qualität durch weniger Ressourcen bringt. Ein Multimediasystem im Kfz zusammen mit dem Navigationsgerät bindet weniger Ressourcen als ein Autoradio der 70er mit Kassettenplayer. Es somit keinen Grund gibt, warum man nicht aus den immer gleichen Ressourcen immer höhere Werte schöpfen kann und die nachwachsenden Rohstoffe einschließlich der menschlichen Arbeits- und Denkleistung kumuliert und damit unbegrenztes Wachstum auf ewige Zeit generiert.

Wirklich kein Limit?

Naja, zumindest solange die Sonne brennt und uns mit Energie versorgt.

Zum Nachlesen für Zweifler und Nachgeborene: Golf I – Technische Daten und Preise, die aktuellen Modelle finden sich auf der Hersteller-Website.

Update Herbst 2012:

Ein Golf I LS von 1974 mit allem verfügbaren Werkszubehör kostete damals 45 % des durchschnittlichen Jahreslohns. Diese Komplettausstattung enthält liegt unterhalb der aktuellen Grundausstattung. Ein Golf VII Baujahr 2012 in einfachster Ausführung kostet 59% des Durchschnittsjahreslohn. Er ist dafür aber wesentlich besser ausgestattet und motorisiert. Das Polo Basismodell von 2012 kostet 43% des durchschnittlichen Jahreslohns. Es hat die gleichen Fahrleistungen wie der 1974er Golf den gleichem Platz und Kofferraum. Es ist aber mit ABS und zahllosen anderen Modernisierungen ausgestattet. Und es ist so schwer wie der Golf I.