Eine Reihe von Kommentatoren sieht im Ergebnis der Urwahl der Grünen eine Vorbereitung auf Schwarz-Grün. Sieht die Wahl von Katrin Göring-Eckardt als Signal der grünen Realos an die Wähler und die Union. Das stimmt meines Erachtens nur zum Teil. Es kann weder das eine, noch das andere Signal sein, sondern von jedem nur ein Teil. Ein Ansatz. Schwarz-Grün soll nicht ausgeschlossen sein, gleichzeitig kann es als notwendiges Übel akzeptiert werden. Die Konstellation wird weder gewünscht noch ausgeschlossen.

Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass.

Dabei wäre es eine große Chance für mehr ökologische Umweltpolitik und für eine solidarische Sozialpolitik. Ebenso die Neuausrichtung der Außen- und Verteidigungspolitik. Am Schwerwiegendsten dürfte sich die Veränderung bei der Finanzpolitik auswirken.

Schwarz-Grün könnte einige Bereiche entrümpeln und modernisieren. Die Aufgabenstellungen aus Globalisierung und Krisen braucht dynamischere Prozesse. Neues Denken jenseits alter und eingetretener Pfade. Die Welt hat sich verändert, ändert sich weiter und das Tempo nimmt zu. Rezepte von Gestern kurieren nur noch die schwindenden Probleme von Gestern. Und die Probleme von Heute und Morgen gar nicht.

Meine Erwartung wäre, dass nachdem Schwarz-Rot „roter“ war als das Schröder’sche Rot-Grün, dass auch Schwarz-Grün „grüner“ sein wird. Und das wäre gut so.

Verankerung von mehr Bürgerbeteiligung, direkte Demokratie, Transaktionssteuer, BGE und andere Gedankenansätze der Piraten, die den Grünen nicht fremd sind, könnten Einzug in die Realität der Bundespolitik halten.

In der Vergangenheit ist ein Eindruck entstanden, zumindest geht es mir so, dass die Kanzlerin zu wesentlich mehr Modernisierung willens ist, als ihr von ihrer eigenen Fraktion und Partei eingeräumt wird. Ihre Richtlinienkompetenz übt sie dabei nur im Rahmen der Akzeptanz ihrer Parteitage aus. Sie lässt sich durch den Mainstream ihrer Partei und vor allem von deren Funktionsträgerriege begrenzen. Merkel ist keine Frau des Aufstands gegen das Establishment.

Sie ist keine Revolutionärin, aber eine geduldige Strategin.

Ergeben sich Chancen wie eine große Koalition, ein Reaktor-Unglück oder politische Skandale, nutzt sie das Zeitfenster der Unsicherheit und stellt die Weichen neu. In der Gewissheit, dass sich nach vollzogener Neuausrichtung die Bestandswahrer und Gralshüter des Gestrigen sich dem Pragmatismus und der Normativen Kraft des Faktischen nicht entziehen können.

Diesem politischen Tiger auf der Lauer haben die Grünen nun einen Appetithappen gezeigt, die Bereitschaft zum Reiten avisiert. Wenn die Wähler daraus ein saftiges Fleischstück machen, dann werden Tiger und Reiter zusammenfinden.

Die spannende Frage bleibt, werden die Grünen den Ritt auf dem Tiger besser und nachhaltiger absolvieren als die SPD, die zu früh und zu kurz abgesprungen ist. Die richtige Antwort könnte Deutschland für die Zukunft fit machen.

Update 13.11.2013:
Beitrag in „Focus“: Schwarz-Grün als Option