Dies ist ein Versuch der Annäherung und Deutung, er verspricht keine Gewissheit und auch keine psychologische Analyse des heutigen Täters. Es ist der Versuch die eigene Fassungslosigkeit in Worte zu fassen. Und um nicht in Sprachlosigkeit vor dem Schrecken zu kapitulieren.
Es ist die suizidale Disposition, die Gewalt und Terror zum Amok macht. Die die zur Todessehnsucht gereifte Unzufriedenheit mit sich und der Welt manifestiert. Wenn die Missgunst so groß ist, anderen das Weiterleben über den eigenen Tod hinaus nicht zu gönnen, dann kommt es zum Versuch sie mit in den Tod zu reißen. Tragisch wird es, wenn der Versuch wie hier gelingt.
Affekt spielt dabei nur in sofern eine Rolle, wenn auf einen Trigger, ein auslösendes Ereignis, spontan reagiert wird. Die Gewalt ohne Vorwarnung zum Ausbruch kommt. Die Tat kann Monate oder Jahre geplant sein, steht in Wartestellung, wird ausgebaut und konkreter. Da werden nach und nach Waffen und Munition zusammengetragen oder eine Bombe gebaut. Nicht mit dem Ziel Amok zu laufen, sondern als Element der Macht, der Sicherheit und der Kontrolle.
Irgendwann kommt dann ein Auslöser, der Trigger. Das kann ein einschneidendes Ereignis wie die Pfändung des Hauses sein oder auch nur ein einfacher Satz. Sei es ein Vorwurf, eine Herabwürdigung gegenüber anderen. Es kommt zum Kontrollverlust und zum Ausbruch der Gewalt.
Umgehen mit der Tat
Wir haben in der Supervision unmittelbar nach Erfurt versucht in Rollenspielen uns in den Täter und in Überlebende zu versetzen. Und einheitlich sind wir zum Eindruck gekommen, dass der Täter im Moment in dem er sich zur Tat entschließt objektiv die Kontrolle verliert, Dass er aber in der eigenen Wahrnehmung nicht nur die Kontrolle hat, sondern erstmals in seiner Depression sich als „Herr der Lage“ fühlen kann. Er hat wieder das Gefühl der Kontrolle.
Es erscheint ihm, wie wenn er das Geschehen bestimmen kann und er fühlt sich aus seinem „schwarzen Loch“ befreit. Was da an Adrenalin und Endorphin rauscht nimmt jede Hemmung, der Betreffende geht über Leichen. Entweder wie hier im Umfeld seiner sozialen Kontakte, am Arbeitsplatz, bei den Personen seines Feindbildes oder bei total Unbekannten, wie bei suizidalen Geisterfahrten.
Diese wandelnden Zeitbomben zu erkennen ist nicht einfach, aber möglich. Hier die Gesellschaft zu sensibilisieren heißt Prävention betreiben.