„Die Anderen“, das sind die, die sich nicht an die unausgesprochenen Regeln halten, deren Zungenschlag nicht der gewohnte ist, die anders essen und deshalb anders riechen, die sich anders kleiden und frisieren, die einen kulturellen Background haben mit dem man nichts anfangen kann – alle die Referenzen in Unterhaltungen, die ins Leere gehen oder unverstanden bleiben – die fehlenden gleichartigen Jugenderfahrungen, dann noch die anderer Religion, hier Evangelische, dort Katholische. Und die nächste Generation, die ist genauso fremd, hat von den Eltern deren Lebenssystem und ethnische Kultur übernommen. Dann zieht man um und stellt fest, dass es auch noch die Dualität Stadtmensch und Landmensch gibt.

Der eine oder andere ist dann ganz entwurzelt. Und viele finden dann eine neue ethnische Zugehörigkeit als Trekki oder Borusse und finden über Cosplay oder Fandom eine neue gut verwurzelte Tribal-Identity.

Das ist das eigentliche Problem der „Nationalisten“ und der „Deutschtümler“, sie merken, dass diese alten Stammeszugehörigkeiten zur Nichtigkeit schrumpfen. Merken, dass andere kulturelle Identitäten jenseits geografischer Linien entstehen. Dass die neuen Ethnien sich im Zeitalter der Real-Time-Translatoren und des Internets nicht mehr nach Sprache und Herkunft definieren, sondern nach wesentlich komplexeren und vielfältigeren Aspekten. Aber diese Welt wird nicht bunter, nicht komplexer, sie war es schon immer. Die Menschen nehmen es durch das Internet besser wahr. Und stellen fest, dass diese Vielfalt jedem offen steht und die große Mehrheit (zumindest in Deutschland) taucht darin ein, lässt sich mitreißen und wird Teil davon. Findet sich wieder in dieser Gegenwart.

Das verunsichert die, die sich nicht lösen können. Macht für sozial statische Menschen ohne entwickeltes Selbstwertgefühl den neuen gesellschaftlichen Umgang zu einem unbekannten Terrain, auf dem sie sich zu verirren fürchten.

Isst man Falafel mit den Fingern? Ist das Tanzmusik oder Trauerlied? Darf ich mitmachen oder muss ich mitmachen oder wie oder was?

Sie verstehen nicht was vorgeht, versuchen sich mit Deutungen und scheitern. Verirren sich im Vermeintlichen und ihrer Deutung des Ungesagten. Versuchen sich anzubiedern um einen sozialen Hafen zu finden, in dem sie ankern können. Und scheitern wie der Akif und andere. Und ein großer Teil dieser „Besorgten“ ziehen sich deshalb auf die Imagination einer „guten alten Zeit“ zurück, etwas bekanntem in ihrem Kopf, ein verklärter Idealzustand vergangener Zeiten, den sie zu kennen glauben und den sie gerne wieder hätten um sich wieder zurechtzufinden.

Nur so wie das vergangene Jahr ist auch der vergangene Tag nicht mehr zurückzuholen, hat sich aufgelöst, ist weg.

Und was machen sie dann, die Besorgten? Sie fangen an ihre Wahrnehmung nicht nur selektiv, sondern manipulativ zu verändern. Die Gegenwart so düster zu sehen, dass die Phantasie der guten alten Zeit als wahr erscheinen kann. Dass die Relation passt. Dass die Ängste begründet erscheinen. Dass nicht der Unverständige und Furchtsame als Trottel erscheint, sondern der Verständige und Zuversichtliche der Dumme sein muss.

Und dazu bedarf es der Bedrohung, der Angst. Man muss sich Sorgen machen um besorgt zu sein.

Küche in der „Guten alten Zeit“