Alan Rusbridger, Chefredakteur von The Guardian, berichtete heute über eine Begegnung mit der so genannten Staatsmacht. Diese meldete sich bei ihm in Form der Geheimdienst-Mitarbeiter des Government Communications Headquarters (GCHQ). Genauer den Feldagenten des Tempora-Projekts. Sie erklärten ihm, die Debatte über das Abhören in der Presse hätte stattgefunden, es wäre ausreichend berichtet und die „Sache“ hätte damit ein Ende. Es gäbe keine Notwendigkeit, noch mehr zu schreiben. Man lies ihm die Wahl zwischen „prior restraint“, einem britischen Prinzip der vorauseilenden Zensur, oder der Zerstörung der Festplatten mit den inkriminierten Informationen.

The Guardian arbeitet in dieser Angelegenheit mit Glenn Greenwald zusammen. Dieser lebt zur Zeit in Brasilien, außerhalb der Reichweite des GCHQ. Außerdem existieren die Informationen in vielen Kopien und im Internet. Mit der Vorlage beschloss die Redaktion den geschmeidigen Weg zu gehen. Die Festplatten wurden der Zerstörung preisgegeben.

Die Tat

Mit einer dramatischen Geste hielt der Delegationsleiter des Geheimdiensts ein Feuerzeug unter die SD-Card. Nein, das ist jetzt schriftstellerische Fantasie, so lief es nicht. Es lief folgendermaßen ab. Mit einer dramatischen Geste begab man sich ins Halbdunkel des Tiefgeschosses im Verlagsgebäude. Mit brutaler mechanischer Gewalt wurden nicht nur die Festplatten, sondern auch die umhüllenden Notebooks der MacBook-Reihe zertrümmert. Smash it like the Hulk.

Die Täter

An dieser Stelle muss man anfügen, dass sich die Delegation ordnungsgemäß identifiziert hatte und sich die Identifikation verifizieren lies. Es handelt sich bei dieser Gruppe bizarr agierender Männer nicht um eine Gruppe Comedians mit versteckter Kamera. Oder ein Anti-Apple-Rollkommando aus Redmond. Dies waren real existierende und echte „Schlapphirnehüte“.

Was beweist, dass die Bewohner von Neuland überall anzutreffen sind. Und wäre der Anlass, seine Implikationen und die Schere im Kopf, die er erzeugen soll, nicht so real und gegenwärtig, dann könnte man durchaus darüber lachen oder schmunzeln. So halten wir den Atem an und erinnern uns an die historischen Vorbilder.

Zu Zeiten der spanischen Inquisition nannte man das Territion oder „das Zeigen der Folterinstrumente“. Damit findet die Constitutio Criminalis Carolina wieder Einzug in die europäische Rechtspraxis. Wir sind wieder an einem Punkt, der für Jean-Jaques Rousseau Anlass war sein Werk Der Gesellschaftsvertrag zu schreiben. Dass alle Bürger zusammen diesen Vertrag lösen könnten, um sich einen neuen zu geben. Statt sich vom Staat durch Auswanderung zu entfernen, zu bleiben und den alten Staat zu entfernen.

Kastanienblatt als Symbol

Wir erinnern uns einer Zeit in der die Staaten unter einer katastrophalen Schuldenkrise litten, die Staatsschulden die jährliche Wirtschaftskraft überstiegen. Ausgaben für militärische Abenteuer den Staat dazu zwangen Sozialleistungen einzuschränken, an der Bildung zu sparen und Altersarmut zur Regel wurde. Die etablierten und reichen Bürger stemmten sich gegen Reformen und beharrten auf ihren Besitzständen und Privilegien, Steuererhöhungen wurden verweigert. Auch damals gab es einen Geheimdienst, der weniger der Informationsbeschaffung, als der politischen Untergrundarbeit im Ausland gewidmet war. Das Resultat dieses dubiosen staatlichen Handelns war der Ausbruch der Französischen Revolution. Das Symbol des Widerstands waren Kastanienblätter am Revers. Vielleicht sollten wir alle am nächsten Wahltag beim Urnengang ein Kastanienblatt oder eine Kastanienblüte tragen.

Don’t repeat this part of history. Be aware. THINK

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Kastanienblatt