Das scheinbare Dilemma der Briten

Es ist kein Verlust an Souveränität, wenn ein Land Mitglied der EU ist. Die EU stärkt im Gegenteil die Souveränität der Mitgliedsstaaten, es vermindert sie nicht. In keinem Aspekt.

Die Briten stellen das gerade fest, ohne die Bündelung des staatlichen Einflusses aller EU-Staaten steht man auf schwachem Fuß gegenüber den USA, China und den BRICS-Staaten. Und auf noch schwächerem gegenüber den transnationalen Mega-Konzernen. Diese Schwäche als Lone Wolf untergräbt und raubt große Teile der vorhandenen Souveränität.

Was geben denn die EU-Mitglieder an Souveränität ab?

Jeder Mitgliedsstaat kann sich bei der Gesetzgebung einbringen, seine Abgeordneten im EU-Parlament werden gehört und jeder kann sein Ding mit einringen. Begrenzt wird dies nur an den Stellen, an denen die Souveränität des Staates den einzelnen Bürger beeinträchtigen würde und ihm seine universellen Rechte rauben würde. Die Souveränität nach innen wird begrenzt. Kein Mitgliedsstaat gibt seine Souveränität oder Teile davon an einen anderen Mitgliedsstaat ab.

Wenn er sie mit anderen bündelt um eine gemeinsame und stärkere Souveränität zu schaffen, dann verliert er sie nicht. Er stärkt sie.

Zu sagen das alles wäre Einschränkung der Souveränität ist wie wenn ein Autofahrer sagen würde ein Tempolimit wäre eine Einschränkung seiner Bürgerrechte. „Frei Fahrt für freie Bürger“ ist genauso wenig ein Bürgerrecht wie „Freier Warenhandel ohne Freizügigkeit“ ein Souveränitätsrecht ist. So wie sich Autofahrer die Straße teilen und sich an gemeinsame Regeln und Rechte halten müssen, so teilen sich Staaten den gleichen Planeten und müssen sich mit gemeinsamen Regeln und Rechten die Co-Existenz ermöglichen.

Also ist die Souveränität doch eingeschränkt?

Ja, aber nicht durch die Europäische Union.

Eine absolute und uneingeschränkte Souveränität hat es nie gegeben und wird es nie geben. Deshalb kann man sie auch nicht „zurück gewinnen“. Denn das UK wird Teil einer Staatengemeinschaft bleiben, es wird nicht aufhören zu importieren und zu exportieren, es wird nicht verhindern dass Menschen aus- und einwandern, es wird sich nicht aus dem Internet oder dem SWIFT-System abkoppeln, es wird Rechte handeln und Broadcasts über Astra und andere Satelliten empfangen. Dazu muss es sich gemeinsamen Regeln mit anderen Staaten unterwerfen und diese beachten. Mit oder ohne EU. Dass das UK damit ein Problem hat und sich wie eine egozentrische Staats-Dive verhält ist allerdings ein historisches Phänomen, das nicht nur den Brexit befördert hat, sondern auch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ausgelöst hat.

Nur hat das UK keine Kolonien mehr, mit denen es verfahren kann wie es will. Deshalb wird es in Verhandlungen zukünftig ein kleiner Provinzstaat am Rande des europäischen Kontinents sein, im Einfluss vergleichbar mit der Schweiz oder Israel.

Wie muss Deutschland reagieren?

Die deutschen Kommunen sollten ihre Unterkünfte aus der Spitze der Flüchtlingsbewegung wieder ausmotten und sich auf einen Flüchtlingsstrom aus Großbritannien einrichten. Wenn ab Ende April in Großbritannien die Lebensmittel knapp werden, mangels freiem Handel und in der Folge fehlender Ersatzteile das Strom-, Gas- und Wassernetz zusammenbricht, die Inflation zweistellig wird, dann werden viele den Glauben an die Zukunft verlieren und gehen.

Die Schotten werden ihr ganzes Land mitnehmen und eine eigene Republik gründen, die Nordiren werden endlich ihre nationale Wiedervereinigung bekommen, mit Währungsunion und dem Fall einer Mauer, die wegen fehlendem Material noch gar nicht gebaut wurde. Ein Vorteil des Chaos wird sein, dass rein logistisch eine harte Grenze zur Republik Irland nicht gebaut werden kann.

Und mit welchen Auswirkungen ist sonst noch zu rechnen?

Und angesichts des Anteils der Migrantendebatte am Brexit ist es ein Witz, dass ab dem 30. März 2019 Großbritannien wegen der Genfer Flüchtlingskonvention jeden Flüchtling erstmal aufnehmen muss, der dort mit dem Flugzeug oder Schiff ankommt.

Ganz Europa kann seine überzähligen Flüchtlinge einfach mit einem Ticket nach Großbritannien ausstatten und sie in den Flieger nach London setzen. Das UK hat keinen Anspruch mehr über Vorabinformationen über Passagiere und auch nicht mehr darauf sie ablehnen zu können. Auch die Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonien wird wieder nach altem Recht möglich sein. Und wenn das UK aus der Genfer Flüchtlingskonvention aussteigt, dann verlieren sie ruck-zuck ihren Sitz im Sicherheitsrat und sitzen in der UN neben Nordkorea.

Noch dazu ist die EU viel demokratischer ist als das UK – alles gewählt, das ganze Parlament, die Kommission und alle Gremien. Nicht so wie im UK. Sollten England und Wales wieder in die EU wollen, wird eine der Bedingungen sein, dass es sein Parlament und sein Wahlrecht reformiert, dass es eine „westliche Demokratie“ wird.

Da werden viele „wahren Briten“ schreien sie würden noch mehr Souveränität verlieren, dabei gewinnt der einzelne Bürger erst dadurch seine Souveränität. Und die Souveränität des Individuums ist wichtiger als die des ganzen Staates. Das ist der Unterschied ob man ein Untertan nach Art des 19. Jahrhunderts ist oder ein aufgeklärter freier Bürger nach Art des 20. Jahrhunderts, von der globalen Freiheit der Menschen des 21. Jahrhunderts will ich gar nicht reden, daran wird noch gearbeitet.