Wie ist das mit kleinen und größeren Kindern? Erziehung mit viel oder mit wenig Worten? Wirkt man sprachlos wenn man versucht wortlos Inhalte zu vermitteln?

Was ich erlebt habe spricht dafür, dass Kinder sehr wohl wortlose Ansprache nicht nur verstehen und erkennen können, sondern dass es der einfachere gemeinsame Weg durch die Kindheit ist. Parallel zum Sprechen entwickelt sich auch das Verstehen. Dann ist Kommunikation mit und ohne Worte möglich und Erziehung wird einfach. Solange man nicht versucht aus Erziehung ein dediziertes Ritual zu machen, kein Sonderverhalten an den Tag legt wenn man in den Erziehungsmodus geht. Erziehung muss Essenz des Zusammenseins mit den Kindern sein, nicht aufgesetzte Kulisse.

Miteinander sprechen

Mit unserem Nachwuchs haben wir vom ersten Tag an einfach gesprochen wie mit jedem anderen Mensch auch. Immer. Unabhängig ob wir neue Kenntnisse, Verhaltensweisen oder andere Informationen nahe bringen wollten, ob wir eine Geschichte erzählten oder einfach über den Tag oder ins Blaue hinein redeten. Wir haben ihn nie wie jemand behandelt, der dumm ist, sondern nur als unerfahrenen und noch neuen Menschen. Nach einem dreiviertel Jahr konnte er (H)unger und (D)urst sagen und unsere Zustimmung oder Ablehnung deuten. Kein Geplärre, kein einseitiges Schreien und kein Rätseln.

Das immanente Erziehen entsteht wenn Kinder verstehen und sprechen. Wir können vorleben wie das Mensch sein funktioniert, erklären wenn Zusammenhänge den kindlichen Horizont an Erkenntnis überschreiten, bremsen und sichern wenn mangelnde Kenntnis Gefahrensituationen schaffen. Der Zusammenhang zwischen Herdfläche, Hitze und Verletzung sind nicht selbstverständlich. Hier gilt es einerseits Lernmöglichkeiten und andererseits ein Sicherheitsnetz zu bieten.

Dazu zählt es Alltagsgelegenheiten zu nutzen, nicht einfach nein zu sagen, sondern ein kleines bisschen Herd, mit einem Stückchen Hitze und der Ahnung einer Verletzung zu verbinden.

Erfahrungen bilden sich aus haptischem und sensorischem Erleben. Erziehen besteht aus Konsequenz und Erklärung, dem Schaffen von Kontext für die Erfahrungen, dazu bedarf es Kommunikation. Schließlich sind Kinder nicht doof sondern unwissend, nicht ungeschickt sondern unerfahren, nicht böswillig oder ignorant, sondern infantil und naiv. Diese Kommunikation muss nicht aus Worten bestehen, auch der Ausdruck von Freude, Trauer, Scham, Ärger, Verletztheit oder Zufriedenheit vermittelt manchmal mehr als hundert Worte.

Gefühle des Augenblicks

Dabei gilt es dem Kind von Anfang an zu zeigen, dass Gefühle nur Gefühle des Moments sind und keine Festschreibung für die Ewigkeit. Ärger verfliegt, Freude hält nicht an, nur die Liebe der Eltern ist eine Konstante. Das gibt dem Kind Sicherheit und schafft eine Situation in der das Leben lernen möglich ist. Und Erziehung ist nichts anderes als die Gelegenheit eine Form des Lebens zu lernen, bei der man in sozialer Gemeinschaft koexistieren kann.

Und dieser Weg ist weit, langsam und oft langweilig und mühsam. Nicht weil man nicht will – im Gegenteil, als Kind will man soviel – sondern weil man nicht kann. Man braucht sich doch nur an die eigene Kindheit zu erinnern, am Anfang fühlt sich die Zunge an wie ein Wurm, den man nicht unter Kontrolle hat, weshalb das Reden auch nur ein Lallen ist. Die Zunge rollt sich und hüpft, ohne dass man es will, selbst der Schnuller bleibt dann nicht immer im Mund.

Die Hände sind viel zu kurz und die Fingerglieder sind fette Marshmallows, die verhindern dass man die Finger richtig krümmen kann und Sachen festhalten. Die Sehnen sind schlabberig und die Muskeln ein Witz, ein halbfertiger Körper mit dem man sich Monate rumschlägt. Im Ohr hat man ständig das Rauschen des Bluts in den Adern bis man sich endlich dran gewöhnt hat und es ausblenden kann. Die Nasenöffnungen sind noch so klein, dass sich jeder Rotz als Pfropf zur Erstickungsgefahr auswächst.

Große Leute, kleine Leute

Was diese riesigen sich rasend schnell bewegenden Schemen (Eltern, Leute) von einem wollen blickt man nicht, wie auch bei dem Tempo, das die immer drauf haben. Man merkt nur, dass sie plötzlich ruhig vor einem verharren wenn man ganz laut schreit. Aber dann fassen sie einem an, mit immer so kalten und wahnsinnig kräftigen Händen.

Wie soll man da kommunizieren außer über Fuchteln und Schreien? Irgendwann kapiert man dann, dass der Wurm im Mund, der einem am Sabbern und Atmen hindert, da ist die Laute zu erzeugen, die die Großen von sich geben. Und dann muss man ausprobieren welche Laute welche Reaktionen hervorrufen, also imitiert man solange bis es passt. Irgendwann hat sich dann auch die eigene Denkgeschwindigkeit der Umwelt angepasst und man bekommt langsam mit was so abgeht.

Deshalb ist das Verstehen immer dem Sprechen voraus. Deshalb muss Zeigen, Vormachen und Vorleben immer dem Erklären, Anweisen und Kommentieren vorausgehen. Ein Wort allein hat noch keine Bedeutung für ein Kind.

Und wenn Worte dann nachfolgen, dann sollten sie auch erklären. Nicht ein Halt-den-Mund, sondern das-ist-frech-und-verletzt-Gefühle; Nicht einfach ein Nein-zurück-Halt oder Das-darfst-du-nicht, sondern ein Vorsicht-Gefahr-heiß oder Muss-man-stärker-und-größer-sein.

Sonst ist es in Worte gefasste Sprachlosigkeit.

Siehe hierzu: