Wie sieht es rechtlich aus, wenn die Bahn Verspätung hat oder der Zug ganz ausfällt? Meine Jura-Semester sind schon dreißig Jahre her, aber die Aufteilung in Lieferverträge, Werkverträge und Werk-Liefer-Verträge müsste immer noch gültig sein. Als Transportvertrag ohne grundlegende Warenbestandteile ist es ein reiner Werkvertrag. Der Fahrschein zählt hier nicht als „Ware“. Und im Bistro sich an der Wurst sättigen ist ein separates Geschäft.

Hat die Bahn fahrlässig gehandelt, wenn es zu einer unüblichen Verspätung oder zum kompletten Ausfall einer Verbindung kommt? Das kann man bejahen, denn hier wirkt nicht nur die höhere Gewalt. Wenn die Bahn auf Grund von Analysen des Betriebszustandes und Statistiken weiß, dass eine bestimmte Quote von Ausfällen auftritt, die über den normalerweise auch auftretenden Störfällen liegt, gleichzeitig aber der Anschein erweckt wird das vollständige und unversehrte Produkt/Dienstleistung zum regulären Preis zu erwerben, dann ist das sehr wohl eine arglistige Täuschung des Käufers.

Prinzipiell ist die Personenbeförderung der Bahn ein Werkvertrag wie jeder andere auch und wenn dessen Erfüllung mit Mangeln behaftet ist, die zu Folgeschäden führen, dann sind die Konsequenzen auch keine anderen wie wenn der Maskenbildner dem Tagesschausprecher um 19.55 Uhr fahrlässig eine Glatze schneidet und ein Ersatzsprecher einspringen muss. 

Falsch ist nicht gefälscht

Es ist wie bei Nonnenmachers Bilanzen, falsch ist nicht gefälscht, auch planmäßig ist nicht geplant, aber die Verantwortung bleibt, ob fahrlässig oder absichtlich. Der Unterschied liegt dann nur im Strafmaß, Geldstrafe oder Haftstrafe. Es gilt außerdem der Grundsatz, dass Unkenntnis und/oder Dummheit nicht vor Strafe schützen.

Da die Bahn aber sowohl das Auftreten von Betriebsstörungen angekündigt hat, als auch die statistische Zunahme gekannt hat, liegt Fahrlässigkeit nicht vor. Andererseits hat sie dies kommuniziert und deshalb dem Vorwurf der Täuschung vorgebaut. Es gibt aber eine klaffende juristische Lücke, die der Bahn Probleme bereiten könnte. Sie ist monopolartiger Anbieter bestimmter Beförderungsleistungen und deshalb besteht für Nutzer im Fernverkehr ein Zwangsverhältnis zur Bahnnutzung, da es (noch) keine alternativen Beförderungsarten gibt.

Hier könnte es sich um Nötigung handeln, da die Bahn vorab keinen Nachlass für die verminderte Beförderungsqualität gewährt hat und die Zwangslage durch das Monopol ausgenutzt hat und den vollen Preis einforderte. Zusätzlich keine automatische Rückerstattung oder sofortige Barauszahlung von Reservierungen auf ausgefallene Züge angeboten hat.

Und, und, und …

Die Zwangssituation der Reisenden wurde vielfach sogar verschärft um keine Rückerstattung zahlen zu müssen. Einige Züge verzögerten extra um erst nach der nächtlichen Schließung von Bahnhof und Reisecenter einzutreffen und die Passagiere hilflos an leeren Bahnhöfen zurückzulassen.

In Wettersituationen wie den vergangenen Tagen müssten bei der nachlassenden Beförderungsgüte pauschale Nachlässe schon beim Fahrkartenkauf gewährt werden. Äquivalent wenn statt des Friseurmeisters und eines Spitzenstylings nur der Lehrling einen Übungsschnitt macht. Beim Friseur kann man auf einen Konkurrenten ausweichen, beim Zugverkehr hat man bei den Fernverbindung keine Alternative. Oder wie kommt man von Hamburg nach Kassel ohne Bahn? Hubschraubercharter? Taxi?

Siehe hierzu: