Es begann im vergangenen Jahr mit Änderungen im Management des Hamburger Magazins und einer Ankündigung von erheblichen Personalstreichungen knapp unter dem Level von Massenentlassungen. 20% sollen in 2016 gehen müssen.
Die Reaktion viel anscheinend anders aus als beabsichtigt. Gerade die kreativsten Köpfe ergriffen als erste die Gelegenheit zu gehen und sich neue Aufgabenfelder und Arbeitsplätze zu erschließen. Hier muss sich schon längere Zeit Frust und der Zustand innerer Kündigung aufgebaut haben. Die Befürchtungen, dass Qualität, Anspruch und journalistische Standards nicht mehr zählen würden, bewahrheiteten sich jetzt.
Aber es war nicht nur eine Senkung der Mitarbeiterzahl, die über die verschiedenen Formate des Hamburger Verlags hereinbrach, sondern auch ein Ausbau der Anzahl der Formate. Eine extreme Steigerung der Arbeitslast für den einzelnen Mitarbeiter. Nicht bereit, viele Freiberufler zu engagieren, versucht der Verlag durch Mehrfachnutzung der Artikel in Print und Online und durch Querverlinkung auf allen Online-Plattformen die Kosten zu drücken und die Leere zu füllen, die die verschwundenen Journalisten zwangsläufig hinterlassen haben. Und weil dann immer noch Quantität fehlt, wird mit Clickbait, Artikeln mit der doppelten Länge ihrer Teasern und mit Flase-Flag-Schlagzeilen der leere Raum gefüllt.
Die Leser haben seit Monaten über den Verfall nicht nur leise gemeckert, sie haben in Leserbriefen und Forenbeiträgen den neuen Anspruch und die neuen Formate offen kritisiert, haben ihren Unmut deutlich geäußert. Auch die merkbar fehlende Schlussredaktion, das Editieren der Artikel durch sprachkundige Redakteure und das zunehmend schlampig wirkende Rechtschreibniveau haben der Fassade tiefe Kratzer verpasst.
Vergleichbar zu Bloatware und Vaporware ist das Magazin jetzt ein Bloatblatt voller Vaporartikel.
Ein einmal interessantes, investigatives und innovatives Magazin, relevant für die soziale und politische Struktur und Kultur in Deutschland, ist jetzt ein weiterer Haufen sinnlosen Inhalts, bestimmt die Massen zu unterhalten und anzuziehen, um nichts außer Klicks und Views für Anzeigen zu generieren.
Das nennt man gemeinhin „Bäckerblume“-Journalismus. Ein Ausdruck in Erinnerung an eine Werbezeitung des Bäckerhandwerks, kostenfrei an Kunden abgegeben, gefüllt mit Anzeigen und Artikeln. Artikeln mit Copy&Paste aus Pressemitteilungen erzeugt und mit Kreuzworträtseln und Bilderwitzen mit Bart garniert.
Eine Leere hat sich aufgetan. Wie in vielen anderen Ländern auch, in der sich die traditionelle Presselandschaft auflöst und die Online Medien diesen Platz nicht auffüllen. Niemand erfüllt mehr diesen traditionellen Part dieser Säule der Demokratie in Politik und Gesellschaft.
Quellen:
Die Zeit, Dezember 2015
Kress – Rainer Leurs
Kress – Spiegel Innovationsreport
Bildquelle – flickr/quapan „Die Trümmerfrau. Scheitert der Euro, scheitert Merkels Kanzlerschaft“ SPIEGEL-Cover-Titel mit Angela Merkel vor Akropolis-Kulisse am 4.Juli 2015 (CC-BY-SA 2.0)