In einem Interview auf Zeit online greift Bosch Arbeitsdirektor Christoph Kübel das bestehende Arbeitszeitgesetz an und erklärt: „Elf Stunden Ruhepause sind nicht mehr zeitgemäß.“ Sein Unternehmen fordert die Lockerung der gesetzlichen Regelungen. Mehr Flexibilität würde auch von den Arbeitnehmern gefordert, würde auch dem Unternehmen nutzen und deshalb müsse das Gesetz neu abgefasst werden, mehr Freiheiten bieten und weniger strickte Grenzen.

In Frage gestellt werden dabei nicht die täglichen Höchstgrenzen für die Arbeitszeit, sondern die Anordnung und damit die Mindestdauer der Pausen.

Eine Pause ist aber schon in der Wortbedeutung, vom altgr. paūsis, nicht nur einfach ein Unterbrechung eines Vorgangs, sondern eine Rast, ein Innehalten, Stillstand. Und bei der Arbeit der Zeitraum der Regeneration, der Erholung.

Wie ist der Stand der Wissenschaft? Das wird im Interview weder erwähnt noch nachgefragt. Für eine Gesetzesveränderung wäre es aber essentiell die Faktenlage zu kennen. Wir leben ja nicht mehr in den dunklen Zeiten des 20. Jahrhunderts und verfügen über Wissenschaft, Ratio und Logik. Gesetze werden nicht mehr autokratisch oder auf Zuruf der Mächtigen beschlossen, sonern anhand von Erkenntnissen aus der Praxis, der Forschung und der Wissenschaft erarbeitet.

Sollte sich durch mangelnde Ruhezeiten die Konzentrationsfähigkeit verringern, die Anfälligkeit für Krankheiten steigen und die mögliche Lebensarbeitsdauer verringern, dann wäre es in der gesamtwirtschaftlichen Rechnung unsinnig die Ruhepausen zu verkürzen und damit die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten in ihrer Nachhaltigkeit zu beschädigen. Es wäre volkswirtschaftlich ohne Sinn und Erfolg.

Die langfristigen Schäden würden staatliche Transferzahlungen und Aufwendungen der Sozialkassen notwendig machen, faktisch eine Quersubventionierung von Arbeitgebern, die zu kurze Ruhezeiten zulassen. Für diesen Fall bräuchte der Staat und die ganze Gesellschaft ein Schadensersatzrecht um Regress an Arbeitgebern zu nehmen, die durch ihre Betriebsabläufe die Arbeitnehmer nachhaltig schädigen und so in der Zukunft Kosten in den öffentlichen Kassen erzeugen. Hauptsächlich Anspruchsberechtigt müssten in diesem Zusammenhang die Sozialkassen sein, die aus ihren Solidarfonds die Behandlung der Spätschäden bezahlen müssten.

Dabei ist es auch kein Argument, dass es auch von Arbeitnehmern gefordert wird. Oft muss man die Menschen vor Selbstausbeutung und Ignoranz schützen, ein Arbeiten bis es dem Arbeitnehmer weh tut ist kein Konzept für ein Arbeitszeitrecht.

Was sagt die Medizin dazu. Welche Folgen hat das, wenn es über Jahre an 4-5 Wochentagen der Alltag der Beschäftigten ist? 

In einem Fall suspekter Koinzidenz ist in der aktuellen Ausgabe der Quartalsinformationen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) das Thema Arbeitszeit der Schwerpunkt.
Die Ausgabe beginnt mit einem Interview mit der Leiterin des Fachbereichs, Dr. Beate Beermann. Sie sagt: „Doch neben der Dauer gehören die Bestimmung von Lage, Rhythmus und Variabilität zu den wesentlichen Gestaltungselementen der Arbeitszeit. Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass überlange Arbeitszeiten, reduzierte Ruhezeiten und das Ausfallen von Pausen auch im heutigen digitalen Zeitalter eine Hauptursache für Stress und damit verbundene Beeinträchtigungen darstellen und zudem das Unfallrisiko erhöhen. Die Regulation von Arbeitszeit unter dem Blickwinkel Arbeit und Gesundheit bleibt damit ein Thema, das künftig noch an Bedeutung gewinnen wird.“ Desweiteren sagt sie: „Aktuell läuft unter anderem das Projekt Arbeitszeitberichterstattung für Deutschland. Denn zurzeit liegen keine Erhebungen vor, die sich intensiv mit den verschiedenen Arbeitszeitformen befassen. Das Projekt will jedoch nicht nur Merkmale der Arbeitszeit beschreiben, sondern auch Zusammenhänge zwischen Arbeitszeit, Belastungs-konstellationen und Beanspruchung der Beschäftigten herstellen.“
Damit dürfte klar sein, dass es derzeit gar keine aktuellen medizinischen Erkenntnisse gibt, die als Entscheidungsgrundlage dienen könnten. Jede gesetzgeberische Initiative wäre derzeit ein Blindflug.

Das sollte gerade in der Position von Herrn Kübel bekannt sein, besonders wenn er sich zu dem Thema in einem Interview äußert. Im Moment sieht es so aus, als wolle man vollendete Tatsachen in seiner Situation der Ungewissheit schaffen, um sich ein bequemes Vorgehen bei der innerbetrieblichen Organisation zu schaffen. Und ohne zu Berücksichtigen, dass es möglicherweise auf Kosten der Gesundheit und Lebensarbeitsfähigkeit der Arbeitskräfte unseres Landes geht.

Wenn man schon Entscheidungen ohne Entscheidungsgrundlage und mit unbekanntem Ausgang fordert, dann sollte man die Risiken auf die verlagern, die diese Entscheidungsfreiheit zugestanden bekommen. Dann soll man offen sagen, die Ruhezeiten können flexibel gestaltet werden, wenn sich der Arbeitgeber bereit erklärt eine Haftung für eventuelle Spätschäden zu übernehmen. Oder es wird im Gesetz vorgesehen, dass in diesem Fall eine Leistungs- und Regressfreistellung durch den Arbeitnehmer erklärt wird, der dann das Risiko voll selbst trägt und einen erhöhten Selbstbehalt bei Frühverrentung, Kuren und medizinischen Leistungen von Folgekrankheiten übernimmt.

Andernfalls ist das ein weiteres Beispiel wie Gewinne privatisiert bzw. in Unternehmen transferiert werden und mögliche Verluste und Schäden vergemeinschaftet werden und auf die Schultern aller anderen verschoben werden. Einschließlich der Konkurrenz der Begünstigten.

Man darf nicht vergessen, es gibt auch Arbeitgeber, bei denen die Ruhezeiten eingehalten werden, die sich an die bisherigen Regelungen halten und die die selben Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zahlen wie das Unternehmen Bosch, keine reduzierten. Sollte es zu Schäden kommen, dann sind die Verursacher und Nutznießer der vorangegangenen höheren Produktivität einige wenige Unternehmen, die finanzielle Leistung zur Schadensbehebung, medizinischen Versorgung und eventueller Frühverrentung wird dann von allen anderen Unternehmen und Beitragszahlern erbracht. Diese versteckte Subventionierung von Flexibilität und Produktivitätssteigerung wird auch von der Konkurrenz aufgebracht, die Gesundheitsschäden vermeidet und medizinisch begründete Ruhezeiten beachtet.
Aber wie gesagt, da es keine gesicherten aktuellen Erkenntnisse gibt, ist sowohl der Nutzen wie der Schaden reine Spekulation und ein Gesetz nicht besser als ein Würfelspiel, es kann nur aus Zufall der Sache gerecht werden.

Ein Vorpreschen zum jetzigen Zeitpunkt, während der Erhebung wissenschaftlich nutzbarer Daten, ist ein Bärendienst an einem sachgerechten und professionellen Vorgehen zur Verbesserung des Arbeitszeitrechts.

Und noch ist das Primat des politischen Landes das Wohl des ganzen Landes, nicht die Bequemlichkeit einzelner Menschen und Unternehmen.

 

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