Jan Fleischhauer versucht in seiner heutigen SpOn-Kolumne (4. Juli 2013) die unterschiedlichen Reaktionen auf PRISM in den USA und in Deutschland zu beleuchten.

„Warum fürchten wir Deutschen uns so davor, dass jemand anderes weiß, wer mit wem telefoniert hat?“

Jan Fleischhauer versucht in seiner heutigen SpOn-Kolumne (4. Juli 2013)

Deutschland hat über 55 Jahre Erfahrung mit gründlicher Überwachung der Privatsphäre durch Horch & Guck, Blockwarte, bis hin zu Spitzeln in der Familie und Riechproben in Gläsern. Wir haben Erfahrung damit, wie man diese Informationen missbrauchen kann. Viele Familien haben sogar ein Mitglied oder Vorfahren, die aktiv mitgemacht haben.

Und wir finden das deshalb einfach zum Kotzen.

Dann Fleischhauers Plattitüde das Abhören der EU-Arbeitskreise als Strafe zu deklarieren, das hat Pausenhof-Niveau und bemüht dümmlichste Klischees. Im Gegensatz zu den USA hat die von diesen Arbeitskreisen gesteuerte EU keinen überschuldeten Haushalt, kein Handelsbilanzdefizit und keine Haushaltsverschuldung in mehrfacher Höhe des BIP. Nein, das ist keine Strafe. Das ist ein Angriff.

Amerikaner haben nie ein existenzielles Problem mit ihrer Staatsführung gehabt, wurden nie offen von faschistischen Regimes beherrscht und unterdrückt. 

Der Anfang vom Ende der Demokratie

Deshalb haben sie, ausgenommen die kleine Gruppe der Alu-Hut-Träger, weder Vorbehalte dagegen, noch Erfahrungen damit. Mit Indoktrination haben sie mehr Umgang, in ihrer grenzenloser Meinungsfreiheit begegnen einem ProLifer, Evangelisten und Pimps aller Art in den USA jeden Tag. Diese Alltäglichkeit der Indoktrination bewirkt in den USA einen anderen Stellenwert.

Dagegen ist uns Europäern die subtile Indoktrination seit Jahrtausenden geläufig und wir haben gelernt damit umzugehen und wir entscheiden uns entweder sie hinzunehmen und zu akzeptieren oder vermeiden sie. Und wenn das nicht geht, dann wissen wir, wie wir unsere Kinder dagegen immun machen können. Wenn die nicht selber schlau genug sind. Wir haben hier die Entscheidungshoheit. Bei PRISM & Co. haben wir sie nicht. Wir können weder die Variante, das Ausmaß noch einen anderen Aspekt selbst bestimmen.

Im Unterschied zu Sauna, Facebook und dem FKK-Strand. Es ist unsere Entscheidung wann, für wen und wo wir unsere Privatsphäre ein Stück weit öffnen. Und meist wird im Netz nur mit der „nicht-so-privaten“ Öffentlichkeit, der Freundessphäre, ausgetauscht. Klatsch und Tratsch und das Pendant zur guten alten Bildpostkarte. Von der wusste man auch, dass der Postbote sie lesen kann und hat auf zu deftige Details verzichtet. Und die sehr kleine Minderheit, die auf Tumblr die allertiefsten Einblicke in die Anatomie ermöglicht, ist nun wirklich nicht repräsentativ.

Wer schaut in unsere Unterhose?

Dagegen sind private EMails und Telefonate schon eine andere Kategorie. Keine Ahnung über was Amerikaner telefonieren, mailen oder chatten, aber im kleinen und geschlossenen Kreis wird es in Europa durchaus deutlich, heftig und intim. Unter Umständen ist der Gesprächspartner einer, mit dem man diesen Themenkreis schon praktisch angegangen ist, im Bett und anderswo. Bekanntestes und banalstes Beispiel sind die abgehörten Telefonate des britischen Thronfolgers mit seiner Camilla. Wollen sie sich fühlen wie ein royaler Tampon auf dem Monitor eines der über eine Million US-Agency-Mitarbeiter mit Zugriff?

Deshalb sind PRISM und Tempora nicht nur Eingriffe in die Privatsphäre, sondern in die Intimsphäre. Obama und seine NSA schauen uns in die Unterhose, nicht nur in den Einkaufskorb und auf den Küchentisch. Das ist nicht Glotzen in der Sauna, das ist der unverschämte Griff zwischen die Beine.

Und dafür, werter Herr Fleischhauer, dafür haben die Spanner der Amerikaner, Briten und anderen 5EyeS-Mitglieder einen Tritt an jene Stelle verdient. Mehrmals. Kräftig.

NSA Bürozentrale
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