Ehrenmorde und ihre Ursachen sind ein kontroverses Thema. Vielfältige Auffassungen dazu, von der Befürwortung, Toleranz, Duldung, Relativierung bis hin zur militanten Ablehnung tummeln sich in den Foren und Blogs. Ich habe dazu persönlich eine etwas andere Auffassung.

  1. Ich gewöhne mir noch an und versuche konsequent dabei zu sein, nicht mehr von Ehrenmorden zu reden oder zu schreiben, sondern von Stolz-Morden oder Morden aus Stolz. Denn mit Ehre haben diese Taten nichts zu tun. Den Begriff der Ehre sollte man nicht negativ konnotieren, indem man ihn in diesem Zusammenhang verwendet. Sonst bekommt Ehre irgendwann einen Beigeschmack wie andere Begriffe, die von den Nazis geschändet wurden. Der Begriff der Ehre wurde in jener dunklen Zeit bereits beschädigt, es braucht nicht noch eine zusätzliche Belastung.
  2. Menschen mit schwacher oder fehlender Aggressionshemmung gibt es in allen Kulturen und mit vergleichbarer Quote. Wenn ich mir das Verhalten von manchen Ultras bei Sportveranstaltungen anschaue und von klassischen Hooligans, die nach dem Spiel auch schon gegnerische Fans totgeschlagen haben, dann stellt sich Gewaltverhalten als generelles Problem dar. Jenseits sozialer Schichten, religiöser Gruppen oder politischer Ideologien kommt es zu diesen Übergriffen, oft mit tödlichen Folgen.

Betrachtet man das Feld der öffentlichen Aggression weiter und über die körperliche Gewalt hinaus, dann stößt man auf viele Spielarten und Missstände. Die Äußerungen über Dirk Bach auf kreuz.net waren nicht zimperlich und stehen auch nicht allein. Ebenso wenn wir in Südostasien nach Kambodscha schauen und uns an Pol Pot erinnern oder an die Auseinandersetzungen bei der Auflösung Jugoslawiens, diese Verhaltensmuster gibt es immer wieder und scheinbar überall.

Gesellschaftliches Umfeld

In der jeweiligen Peer-Group oder dem direkten sozialen Umfeld gab und gibt es dann auch immer zustimmende Bestätigung. Gerade die gegenseitige Bestätigung verschafft den nicht unmittelbar Beteiligten gleichfalls den „Stolz“-Genuss. Sie sind dann an der Tat nicht direkt beteiligt, können sie aber emotional auf sich selbst übertragen und das gleiche unsägliche Gefühl des Stolzes teilen.

  1. Ein weiterer Unterschied liegt in der gesamtgesellschaftlichen Würdigung. In Pakistan kann ein Minister ohne Folgen öffentlich ein Kopfgeld ausloben. Vom Iran und den Fatwas und staatlichen Stolz-Morden braucht man keine Liste zu machen, die gibt es mit tausenden Einträgen und sie wächst täglich. Auch in Saudi-Arabien gibt es offizielle Gerichtsurteile nach diesen Prinzipien. Es ist eigentlich nur der Einflussbereich des Code Civil oder Code Napoleon, in dem säkulare Rechtsstaatlichkeit herrscht. Bis zu dessen Verbreitung wurden auch in Europa Frauen wegen „Ehebruch“ oder „Hexerei“ gemeuchelt, Menschen unter fadenscheinigen Gründen gelyncht oder gemeuchelt. Auch der Ursprung des Wortes Lynchen erzählt von einer tragischen und blutigen Vergangenheit.

Für mich ist der zentrale Punkt bei der Prävention von Gewalttendenzen, die Existenz einer säkularen Gerichtsbarkeit, die anerkannt und in der Gesellschaft verankert ist.

Unabhängig, ohne Unterschied urteilend und nur dem Recht verpflichtet.

Dieses Recht und seine Prinzipien müssen verteidigt werden. Wer es auch nur in Frage stellt ist eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die Abgrenzung muss viel präventiver und offensiver stattfinden. Europa ist ein Staatenbund mit rechtsstaatlichen Prinzipien, diese können weder von Fanatikern mit religiösem Stolz noch von anderen Gruppen ignoriert werden. Selbstjustiz ist die kleine Schwester des Terrorismus und die Freundin des Faschismus, will man diese bekämpfen kann man sich nicht ihrer Methoden bedienen.

Zwang zur Leitkultur

Asylanten, Einwanderer und Flüchtlinge müssen an einem öffentlichen Gelöbnis zur Verfassung und den säkularen Rechtsprinzipien teilnehmen um Aufenthaltsrecht gewährt zu bekommen. Wir brauchen niemand Gastrecht oder Bürgerrecht zu gewähren, der diesen zentralen Punkt europäischen Selbstverständnisses ablehnt. Wenn der Bundestag mit einem derartigen Gelöbnis beim Beginn jeder Amtsperiode beispielhaft vorangehen würde, dann wäre dies hilfreich.

Peer Pressure zur Anerkennung dieser Pfeiler unserer Leitkultur ist notwendig.

Linkhinweise

Man sollte deshalb Namus auch nicht mit „Familienehre“ sondern mit „Familienstolz“ übersetzen. Namus ist eindeutig egozentrisch konnotiert und nicht aus kollektiven Gefühlen abgeleitet.