Wenn es nach einer Reihe von Experten und selbsterklärten Fachleuten geht, dann wäre die Gurtpflicht überflüssig. Sie reden nicht von Fahrzeug-Sicherheit oder Verkehrsunfällen, sondern von der SARS-Cov-2-Pandemie. Sie kritisieren die anhaltenden Kontakt- und Bewegungseinschränkungen in Deutschland, obwohl dieses nie die strikte Form einer Ausgangssperre hatte oder Läden und Einrichtungen so umfassend geschlossen wurden wie in Österreich oder Italien.
Sie schauen nur auf das Abflachen der Kurve, den Rückgang der Neuerkrankungen. Nach dieser Logik müssen wir auch auf die Zahl der Verkehrstoten schauen, deren Kurve flacht auch ab. Nicht nur das, sie ist zuvor drastisch gefallen.

Damit wäre es, nach der Logik dieser Experten, an der Zeit die Maßnahmen zu reduzieren. Gurtpflicht und Airbag weg, ABS zur Diskussion stellen, die Sinnhaftigkeit der Knautschzone in Frage stellen und die rhetorische Frage stellen ob es wissenschaftliche Studien zu Scheibenbremsen gibt, ob diese den Tod von Menschen verhindern.
Whataboutismus
Einzelne Experten versteigen sich sogar zur Ansage die Folgen der Maßnahmen wären schlimmer als die des Virus. Die Folgen des Virus sind dauerhafte Schädigung der Gesundheit und der Tod. Was könnte schlimmer sein als der Tod. Die fundamentalistischen Eiferer, die den Verlust der Jungfräulichkeit als „schlimmer als der Tod“ bezeichnen sind schon lange das Gespött der Welt, jetzt konkurrieren neue Eiferer um diese Position mit der Ansicht, dass eingeschränkte soziale Kontakte, die trotz Video-Calls und Telefonaten, Chats und anderen Möglichkeiten des unmittelbaren körperlichen Kontakts entbehren, dass diese Einschränkung schlimmer als der Tod sei. Oder der Verzicht auf den Friseurbesuch, das Zusammenstehen in der Kneipe oder auf dem Fußballplatz. Schlimmer als der Tod.
Man stirbt nur einmal
Mal abgesehen, dass nichts davon so endgültig ist wie der Tod, ist diese extreme Vorstellung der Belastung durch Verzicht nichts anderes als die Manifestation eines Luxusproblems. Es ist der Ausdruck einer Überflussgesellschaft in der die sofortige und beliebige Verfügbarkeit von Haarschnitt, Fußballspiel, Bordell- oder Kneipenbesuch zur Unverzichtbarkeit hochstilisiert wird, die die Hybris entlarvt mit der grundlegende Rahmenbedingungen des Lebens übersehen werden.
- Ein Toter kann nicht mehr zum Friseur.
- Ein Toter jubelt nicht mehr übers Tor beim Spiel.
- Ein Toter hat keine Erektion mehr.
- Ein Toter ist nicht mehr durstig.
- Ein Toter ist einfach nur tot.
Deshalb brauchen wir die Kontaktbeschränkungen bis alle eine Maske besitzen können und die Maskentragepflicht eingeführt werden kann. Die Maskenpflicht darf nicht zur sozialen Ausgrenzung führen, wenn sich nicht jeder eine Maske beschaffen kann und sie bezahlen kann. Deshalb brauchen wir nach wie vor die Gurtpflicht im Auto. Und den Airbag. Und die Knautschzone. Und Bremsen.
Für unsere Mitmenschen, für unsere Nachbarn, für unsere Familien und auch ganz egoistisch für uns selbst. Wer suizidal ist, eine Corona-Party feiern möchte oder die Kontaktbeschränkungen abschaffen, der soll eines der Beratungsangebote annehmen.
Es gibt Hilfe, auch in scheinbar ausweglosen Situationen. „Ich weiß nicht mehr weiter“, „Ich kann nicht mehr“: Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie unbedingt, mit jemandem darüber zu sprechen – egal, ob Familie, Freunde oder Menschen, die sich auf diese Themen spezialisiert haben.
Disclaimer
Schnelle Hilfe: Telefonseelsorge (0800 111 0 111), Nummer gegen Kummer (116 111), im Notfall Polizei (110) oder Rettungsdienst (112) anrufen!
Die Gesellschaft für Suizidprävention führt eine Übersicht der Angebote auf ihrer Webseite www.suizidprophylaxe.de.