Geld wird nicht nur durch seinen Wert bemessen, sondern auch durch seine Bewegung, Durch die Orte bzw. Besitzer, die es durchläuft und die Zeit, die es dafür braucht.
Entscheidend ist besonders die Bewegungsgeschwindigkeit. Mit einem schlichten Beispiel, das von einem geradlinigen und nicht vernetzen Wirtschaftsablauf ausgeht, lässt es sich demonstrieren. In der komplexen Wirtschaftsrealität verteilen sich die dargestellten Ströme. In der Gesamtschau und Saldierung verändert sich jedoch der Effekt und die Bedeutung der Bewegungsgeschwindigkeit nicht.
Geld in Bewegung
In diesem einfachen Beispiel beginnt der Lauf des Geldes damit, dass ein Tischler einen großen repräsentativen Schrank mit diversen Extras gebaut hat. Er verkauft diesen für 10.000 € an einen Bauer. Mit diesen 10.000 € kauft der Tischler sich am nächsten Tag in der Nachbarstadt eine Skulptur und bezahlt sein Material. Er bezahlt die 10.000 € sofort. Der Bildhauer geht noch am gleichen Abend mit den 10.000 € in den teuersten Nachtclub der nächsten Stadt. Dort bringt das ganze Geld mit Saufen und erotischen Vergnügen durch. Am nächsten Morgen fährt der Clubbesitzer zum oben genannten Bauer und kauft diesem für die 10.000 € eine ganze Ladung klaren Kartoffelschnaps ab.
Innerhalb von vier Tagen wurde in der regionalen Wirtschaft damit ein Umsatz von 40.000 € generiert und entsprechende Gewinne erzeugt, die sich parallel in Vermögensgegenstände wie einen Schrank, eine Skulptur, einen Brummschädel und eine Ladung Schnaps verwandelt haben, die durch diese Rotation an Wert gewonnen haben. Der jeweilige Vorbesitzer musste schließlich wesentlich weniger dafür aufwenden. Wirtschaftswachstum, schnell, drastisch und unmittelbar.
Im Gegenbeispiel behält der Tischler die 10.000 € und bezahlt sie 5 Tage später auf sein Girokonto ein und am Monatsende kauft er britische Staatsanleihen. Das Geld hat dann die Eurozone verlassen und bewegt sich nicht mehr innerhalb dieser, erzeugt dort keine wirtschaftlichen Veränderungen mehr.
Die volkswirtschaftliche Theorie dahinter
Die Quantitätsgleichung besagt nun, dass die Geldmenge (M3) multipliziert mit der Umlaufgeschwindigkeit gleich dem Produkt aus Preisniveau (inflationsabhängig) und der durchschnittlichen Anzahl Transaktionen ist. Oder als Formel „M · V = P · T“. Im ersten Beispiel wären V und T in gleichem Maße sehr hoch, deshalb können M und P stabil bleiben obwohl die Wirtschaft boomt. Im zweiten Beispiel fallen V und T auf 0, weshalb eine Erhöhung der Geldmenge nur zu höheren Preisen, aber nicht zu mehr Wirtschaftstätigkeit und mehr Arbeit führt.
Wenn wir in der Eurozone nur eine moderate Inflation haben, die Anzahl der Transaktionen sinkt weil die Nachfrage durch höhere Arbeitslosigkeit zurückgeht, die Geldmenge aber wächst, dann kann das nur heißen, dass die Umlaufgeschwindigkeit drastisch zurückgeht. Wir nähern uns einer Wirtschaft, die sich am Beispiel 2 orientiert.
Wolfgang Schäuble hat deshalb einerseits recht, wenn er im Erhöhen der Geldmenge keine Lösung sieht, andererseits Unrecht, wenn er generell darin ein Problem sieht. Da wir nur eine moderate Inflation haben und die Anzahl der Transaktionen, der Geschäftsvorgänge, steigerungsfähig ist, kann ein vorsichtiges und langsames Erhöhen der Geldmenge durchaus die gesunkene Umlaufgeschwindigkeit kompensieren.
Die Beschlüsse müssen nur vorsehen, dass bei einem Ansteigen der Umlaufgeschwindigkeit die Geldmenge nicht mehr erhöht wird, sogar reduziert wird. Dazu müsste ein Instrument geschaffen werden, das diese Zirkluationsmechanismen quantitativ erfasst und bewertet. Ein Index, der in eine automatische Anpassung der Geldmenge einfließen muss und Erhöhung und Reduzierung der Geldmenge verbindlich steuert. Eine Anpassung nach Lust und Laune der EZB oder des Ministerrates wäre nicht nur unprofessionell, sondern auch der politischen Willkür Tür und Tor geöffnet.
Andere Wege?
Die andere Alternative wären EU-weite Maßnahmen zur Erhöhung der Zirkulationsgeschwindigkeit. Diese wären aber stark gewöhnungbedürftig und entsprechen weder den Erwartungen noch den Erfahrungen der Politik und ihrer Bürger. Dazu würden gehören:
- Negative Schuldzinsen, Zahlung von Boni auf die Aufnahme von Schulden, Negatives Disagio,
- Steuern von 100% auf Zinserträge und Gewinne aus Finanztransaktionen,
- Abschreibung von 200% auf Sachanlagen im ersten Jahr, 100% im zweiten, 50% im dritten und Rückholung der überzähligen 250% in zehn Raten zu je 25%.
Es gibt noch eine Reihe anderer denkbarer Mechanismen, die Anzahl der Transaktionen und damit die Umlaufgeschwindigkeit erhöhen könnten. Auch wenn sie bizarr oder absurd wirken, können sie kurzfristig Wirkung entwickeln und über selbstregulative Stellgrößen auch wieder zurückgeführt werden.
Zusammen mit einer Abwertung der Währung und der Erhöhung der Importpreise kann man das Wachstum in Richtung Qualität und Nachhaltigkeit verschieben und rein quantitatives Wachstum mit hohen Folgekosten vermeiden.
Das ist kein ausgefeilter Entwurf mit Details oder Funktionsgarantie, die Quantitätsgleichung ist selbst schon eine Vereinfachung. Aber es ist der Aufruf auch einmal in andere Richtungen zu denken und nicht nur eine Stellgröße in der Wirtschaft verändern zu wollen. Es gibt mehr als eine Einflussgröße und die Geldmenge ist die, die man im Effekt am wenigsten unter Kontrolle hat. Sie zu verändern kann schlicht und einfach auch nur zu Inflation oder im umgekehrten Fall zu Deflation führen. Wohingegen die Veränderung der Transaktionszahl wegen der Trägheit der Preise nach unten sich den Weg des geringsten Widerstands sucht und die Umlaufgeschwindigkeit erhöht.
Link-Hinweise:
- SpOn (20.04.2013) – Schäuble kämpft gegen die Gelddrucker
- Wikipedia – Quantitätsgleichung
- sueddeutsche.de (21.04.2013) – OECD-Generalsekretär Angel Gurría über ein globales Finanzamt