Wir schreiben das Jahr 2018 gregorianischer Zeitrechnung, in vielen Ländern ist der erste Tag des Weihnachtsfests angebrochen – Heilige Nacht, Holy Night. In den USA unterzeichnet der Präsident den Befehl zum Abzug der US-Truppen aus Syrien. Ein Fest des Friedens?
Nein. Ein Auftakt zum Krieg.
Krieg ist nie Zufall
Krieg ist keine Naturgewalt, Krieg findet nie ohne die Zustimmung der kriegführenden Völker statt. Weder kann der angreifende Staat den kriegerischen Akt am nationalen Konsens vorbei ausführen, ohne dass die Bevölkerung revoltiert oder die verantwortliche Regierung abwählt, noch kann im angegriffenen Staat eine militärische Gegenreaktion stattfinden ohne einen Verteidigungswillen der Bürgerinnen und Bürger.
Man hat es gesehen bei der deutschen Wiedervereinigung, einem Ereignis bei dem Truppen von NATO und Warschauer Pakt in großer Zahl mobil gemacht waren, in Bereitschaft standen, aber es keinen Willen zur Konfrontation gab. Man hat es gesehen bei der Okkupation der Krim. Damals als die Piece-Meal-Taktik des russischen Präsidenten die Aggression mit demokratischen Elementen vermischte. Als die Angegriffenen psychologisch über ihre Ethnie vereinnahmt wurden. Als die Gegenwehr so keine Mehrheit fand und kein bewaffneter Konflikt ausbrach. Ein Ereignis, das in der Geschichte sein Vorbild im Anschluss Österreichs an das vom Hitler-Regime beherrschte Deutschland hat.
Umgekehrt hat man bei der gleichen Aktion im Donbaß-Becken gesehen wie die Verhältnisse andere waren. Es keine Mehrheit zur Akzeptanz der Übergriffe gab und der bewaffnete Konflikt ausbrach. Aber auch hier hatte die Eigendynamik ihre Grenzen. In diesem Fall geographische Grenzen, an denen der Krieg zum Stocken kam und sich nicht mehr ausbreitete.
Wo kommt er her
Die Voraussetzungen für Krieg sind nur wenige, den Regierungen der voraussichtlichen Angreifer und erzwungenen Verteidiger kennen sie und instrumentalisieren sie um Krieg zu ermöglichen oder zu verhindern. Dabei können beide Seite ein Interesse haben einen Krieg zu ermöglichen oder die Angegriffenen ihn zu verhindern.
Psychologie ist das Schlüsselinstrument. Wenn sie zum Einsatz kommt um die Voraussetzungen für einen Krieg zu schaffen, dann ist die Gefahr eines Krieges groß – je extremer die Akte der psychologischen Propaganda, desto größer die Gefahr.
Um einen Krieg beginnen zu können braucht die angreifende Nation den Kampfeswillen der Bevölkerung, die Bereitschaft finanzielle Opfer zu bringen, Menschenleben zu riskieren und den sicheren Tod viele Menschen auf beiden Seiten zu akzeptieren. Die Angegriffenen dürfen keine Sympathie finden, der Preis an Wohlstand und Leben muss gerechtfertigt erscheinen. Diese Stimmung im Land des Angreifers muss eine starke Stimmung sein, ein stilles Votum für die Aggression.
Der Weg dazu ist klar, die Gegenseite darf nicht mehr als Mitmensch erscheinen, muss entmenschlicht werden oder zum Untermensch oder Monster verfremdet werden. Kulturelle Gemeinsamkeiten, Humanität und Individualität dürfen keine Rolle mehr spielen. Das beginnt mit Reduzierung und Einstellung kulturellen Austauschs, von Jugendaustausch und auch der kommerziellen Vermarktung von Kulturgütern beim zukünftigen „Feind“.
Der nächste Schritt ist die Vertiefung der Unterschiede durch Betonung und ihre mediale Hervorhebung. Das Trennende wird gestärkt, das Verbindende zum Verblassen gebracht. Anderssein ist Staatsräson. Die Kultur wird zum trennenden Element, das menschlich Verbindende unsichtbar. Der Sympathie mit dem zukünftigen Gegner wird die Grundlage entzogen.
Wie geht es weiter?
In der nächsten Stufe wird die Propaganda das Ziel zum Gegenstand von Hass und Verachtung machen. Ihm die Sympathie zu rauben ist nicht genug, Gleichgültigkeit als Ergebnis ist kein Antrieb für Opferbereitschaft. Der „Feind“ muss des Angriffs würdig sein, der Akt des Krieges muss ein Akt der Ehre und der Rettung sein. Die schiere Existenz des „Feindes“ eine Provokation für die Bevölkerung des Angreifers. Ohne den Krieg die eigene Ehre, das eigene Ansehen und die eigene Kultur dem Untergang geweiht sein. Ja, noch mehr, der „Feind“ muss kriegslüstern erscheinen, die eigene Nation vom Untergang bedroht.
Am Ende steht dann die Ankündigung, dass von 5:45 Uhr an „zurück“ geschossen wird. Der Angriff wird zur Verteidigung verklärt. Nur möglich, wenn vorher die Propaganda das Ziel zur Gefahr verklärt hat.
Vor dem Ausbruch des Krieges steht dann noch die rationale Entscheidung einen Moment abzuwarten in dem der Angegriffene schwach genug ist um einen Erfolg des Krieges wahrscheinlich zu machen. Das kann einerseits durch eigenen Hochrüstung ermöglicht werden, andererseits durch die Sabotage der gegnerischen Abwehrfähigkeit oder dem Gegner die Unterstützung seiner Verbündeten zu nehmen und ihn international zu isolieren. Historische Vorbilder waren die Appeasement Politik des Hitler-Regimes oder das Attentat von Sarajevo, das gleich mehrere der Voraussetzungen zum Krieg schuf.
Die Anzeichen
Und deshalb ist die Unterzeichnung des Befehls für Abzug der US-Truppen aus Syrien kein Zeichen des Friedens, sondern nur der letzte Schritt um den Krieg zu ermöglichen. Die türkische Regierung erklärt seit Monaten die Volksgruppe der Kurden in den Nachbarstaaten und im eigenen Land zu Terroristen, zu gewissenlosen Mördern, zur Gefahr für jeden Türken. Mögliche Verbündete der Kurden werden gleichfalls unter Druck gesetzt, strategische Verbündete mit ähnlichen Kriegsvorbereitungen unter Druck gesetzt. Israel wird als Terrorstaat bezeichnet, der Massaker verübt und von Tyrannen beherrscht wird.
Der Kampf gegen den Feind wird schon vorab glorifiziert als Akt der Rettung vor dem Bösen. Der US-Präsident wird zum Handlanger der Kriegstreiberei, indem er statt internationaler Integration die Isolierung der bedrohten Kurden betreibt, den Krieg risikoloser werden lässt.
In der Türkei hat Erdogan die Medien unter seine Kontrolle gebracht, die politische Opposition eingeschüchtert oder interniert, das Militär hochgerüstet und sich selbst als Verteidiger des Türkentums glorifiziert. In den faschistischen Kreisen des eigenen Staats den Traum einer Groß-Türkei, eines neuen osmanischen Reiches geschürt. In der oppositionellen Bevölkerung durch stetig steigende Unterdrückung einen Zustand des Fatalismus bewirkt oder sie zur Emigration genötigt. Die Voraussetzungen sind geschaffen. Der Angriff kann kommen.
Weihnachten 2018 ist ein Fest im Schatten des kommenden Krieges.