In vielen Industrieländern befindet sich der Bereich der Pflege von Patienten in Krankenhäusern und Heimen, sowie die ambulante häusliche Pflege in einer angespannten Situation. Auf der einen Seite sind zuwenig Fachkräfte verfügbar, auf der anderen Seite gibt es auch nicht ausreichend Stellen und die Bezahlung entspricht nicht mehr der Arbeitsbelastung. Auch der Aspekt der Selbstausbeutung aus Mitgefühl, wie ihn noch die Ordensschwestern zu Zeiten der Krankenpflegevereine praktizierten, kann, soll und darf heute keine Rolle mehr spielen.
Der erste und grundlegende Ansatz soll hier gar nicht besprochen werden, es ist der Ansatz die allgemeine Gesundheitssituation zu verbessern und so die Anzahl der Pflegebedürftigen zu verringern. Hier ist die Forschung gefragt Wege und Konzepte aufzuzeigen und zu entwickeln. Ich sehe mich nicht in der Lage anhand der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sozialverträgliche Vorschläge zu entwickeln und Ideen einzubringen, die mit meinen ethischen und moralischen Vorstellungen von der Würde des Menschen vereinbar sind – kurz gesagt, Zwangsmaßnahmen sind keine Lösung.
Der zweite und unmittelbar machbare Ansatz ist die Veränderung der Strukturen an allen Stellen an denen Pflegedienstleistungen erbracht werden.
Erster Baustein ist eine Neuverteilung der Kompetenzen und Aufgaben. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Tätigkeiten in Aus- und Fortbildung können Routineaufgaben aus dem ärztlichen Bereich in den der examinierten Pflegekräfte verlagert werden. Das wären alle Bereiche, die pflegenah angesiedelt sind und keine diagnostische oder therapieveranlassenden Charakter haben. Einhergehend damit ergeben sich weitere Karrieremöglichkeiten für Pflegekräfte und die Lücke zwischen Medizin und Pflege wird kleiner.
Dies ist insbesondere für die mittlere Zukunft eine Grundvoraussetzung, wenn der Bedarf nur durch eine höhere Automatisierung (Pflege 4.0) gedeckt werden kann. Das Schließen dieser Kompetenz-Distanz zwischen Ärzteschaft und Pflegepersonal ist angesichts der kommenden Robotik eine zwingende Voraussetzung für einen gleitenden Übergang, der Fachpersonal und Patienten die Möglichkeit der Anpassung gibt.
Zweiter Baustein ist die Erschließung neuer Schichten potentieller Pflegekräfte. Eine große Anzahl von Berufsanfängern vermeiden diesen Bereich nicht nur wegen der eingeschränkten Karriere- und Gehaltsaussichten, sondern auch wegen der engen Arbeit mit und am Menschen. Die damit einhergehende physische und psychische Belastung erscheint vielen erschreckend, abschreckend und auch nicht als im gezahlten Gehalt wiederzufindende Leistung.
Tätigkeitsbereiche in der Pflege, die weniger oder gar keinen, sowie einen anonymen Kontakt mit den Patienten beinhalten können gebündelt und neuen Berufsbildern zugeordnet werden.
Der/die Pflegesekretär/in – der bürokratische Arm der Pflegekräfte, die mit Unterstützung digitaler Systeme (Apps) die Arbeit vorbereitet, begleitet und in der Nachsorge Dokumentation und Abrechnungen organisiert. Dazu noch die Kommunikation mit Verwaltung und externen Stellen übernimmt und koordiniert.
Der/die Pflegepharmazeut/in – Medikationsassistent, zweites Paar Augen zur Arzt-Entscheidung, für Menschen denen der Labor- oder Apothekenpharmazeut zuwenig Menschennähe hat, die Pflege selbst aber zu viel, und die einen Bezug zur wissenschaftlichen Seite haben.
Am unteren Ende entstehen dann zusätzlich einfacher aufgebaute Berufsbilder, die weniger Fähigkeiten erfordern und auch nach den Aspekten der Patientennähe/-ferne oder der physischen und psychischen Belastung differenziert werden können.
Das soll nur ein Ansatz sein, um das Prinzip zu verdeutlichen, die Idee zu veranschaulichen. Viele weitere Berufsbilder können diesen Baustein ergänzen und hier sind Ärzteschaft und Pflegepersonal gefordert ihre Tätigkeiten zu gliedern und neu aufzustellen. Neue Berufsbilder zu definieren und Arbeitsabläufe entsprechend zu optimieren.
Zusätzlicher Synergieeffekt ist die Mehrung der Kompetenz beim den Beschäftigten in diesem Feld. Die Spezialisierung erlaubt eine weitergehende Vertiefung der Kenntnisse, eine zielgerichtetere Aus- und Fortbildung und nicht zuletzt überhaupt die Möglichkeit einen fortgeschrittenen Level an Kompetenz zu erreichen. Nicht viele haben das intellektuelle Level um in einem breiten Fachgebiet die oberste Stufe fachlicher Exzellenz zu erreichen, aber viel mehr haben das Level dies in einem eng umgrenzten Bereich zu erreichen.
Damit steigt auch die Qualität der Pflegedienstleistung – jeder Beteiligte wird ertüchtigt sein Bestes leisten zu können.
Auf den ersten Blick scheint die Finanzierung einer Vielzahl neuer Arbeitsplätze, die noch dazu eine höhere Qualifikation und damit Bezahlung haben ein Problem. Dem steht jedoch gegenüber, das ein Teil eine Verlagerung darstellt und ein weiterer bereits existierende Lücken füllt, überhaupt erst ermöglicht das Personal für den Lückenschluss verfügbar zu bekommen. Dazu erschließt es auch eine neue Schicht für niedrig qualifizierte Arbeitsplätze, die in der mittleren Zukunft robotischen Einheiten überlassen werden können und wahrscheinlich diesen auch übertragen werden müssen.
Hauptvorteil, auch in finanzieller Hinsicht, ist die mit der höheren Kompetenz einhergehende Steigerung der Qualität und Aktualität der pflegerischen Versorgung. Als Resultat sollte der Gesundheitszustand der Gepflegten sich verbessern, Genesung schneller und wahrscheinlicher werden oder bei chronisch Kranken die Langfristschäden minimiert werden.
Daraus ergibt sich nicht nur ein unmittelbarer finanzieller Vorteil, sondern auch eine quasi unbezahlbare Verbesserung der Lebensqualität. Und darum sollte es bei allem politischen Handeln gehen, die Qualität unseres Lebens.