Warum unterstützt die CDU das Transatlantische Freihandelsabkommen? Gibt es republikfeindliche Kräfte in der Union, die aus devoter Freundschaft gegenüber den Vereinigten Staaten diese auf Kosten der deutschen Wirtschaft und Bevölkerung sanieren wollen? Oder sind sie grenzenlos naiv?

Es scheint als ob letzteres zutreffen würde, wie ein Argumentationsflugblatt der CDU enthüllt. Es verwendet Argumente, die der Begegnung mit der Realität nicht standhalten. Hanlon’s Razor scheint auch hier zuzutreffen.

Diese Argumentation zeigt schon in der Einleitung ein krudes Verständnis von Wirtschaft und den Vorgängen in Industrie und Handel. TTIP würde „neue Waren und mehr Produktvielfalt“ schaffen. Absurd, es erhöht weder die Regalflächen des Handels, noch die Sortimentstiefe von Versendern und Distributoren. Für jedes neue Produkt im Sortiment muss ein anderes weichen, damit könnte man allenfalls sagen „TTIP verändert die Warenwelt auf Kosten alt(bekannt)er Produkte.“ Selbst eine Intensivierung von Forschung und Entwicklung, und damit tatsächlich neue Produkte, lässt sich aus TTIP nicht ableiten.

Niedrigere Preise = Höhere Gewinne?

Dann wird behauptet es käme zu dem Effekt, dass „die Preise … werden sinken“. Eine grundsätzlich in die Irre führende Aussage. Die Annahme hinter dieser Aussage ist das Entstehen eines erhöhten Wettbewerbsdrucks durch eine vermutete größere Anzahl von Marktteilnehmern. Dieser Effekt kann durchaus eintreten, man muss ihn aber korrekt als „die Erlöse und Gewinne bisheriger Marktteilnehmer werden sinken“ bezeichnen. Und diese Aussage konterkariert die nachfolgendende und lässt sie absurd erscheinen. „Neue und bessere Arbeitsplätze“ werden in Aussicht gestellt und dies im Zusammenhang mit größerem Marktdruck und sinkenden Gewinnen. Das ist Volks- und Betriebswirtschaft auf den Kopf gestellt. Sinkenden Gewinnen wird mit Einsparungsmaßnahmen begegnet, dazu gehört in der Regel und zu aller Erst der Personalabbau, Lohnsenkungen, Nullrunden bei Tarifverhandlungen und ähnliche Einschränkungen.

Arbeitsplätze werden gefährdet, die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse wird steigen.

Dann wird noch in Aussicht gestellt, dass die in Deutschland übliche soziale Absicherung weltweit besser durchgesetzt werden kann. Abgesehen davon, dass in TTIP keine Klauseln enthalten sind, die den Marktzugang davon abhängig machen, dass in den USA der Generationenvertrag und das Single Payer Healthcare System eingeführt werden, was unserer sozialen Absicherung entsprechen würde, ist es absurd zu glauben, dieser Vertrag könnte Einfluss auf die Sozialsysteme der USA oder gar weltweit nehmen.

Konzentration der Märkte führt zu globalen Monopolen der nachgelagerten Produktion

Im Gegenteil, auf dem europäischen Markt wird eine verschärfte Situation entstehen. Der Wettbewerbsdruck wächst auf die innereuropäische Marktteilnehmer. Deutsche Produkte werden ebenfalls einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt sein. Ein Wettbewerb auf dem einerseits die hohen Standards der EU stehen und auf der anderen Seite ein System der Selbstverpflichtung ohne gesetzliche Bindung. Ein Markt der den größten Teil der Vorprodukte aus Mittelamerika und Asien bezieht. Produkte, die nur via Branding und Labeling in US-Produkte verwandelt werden.

Damit wird in letzter Konsequenz die soziale Absicherung in Deutschland dem weltweiten Niveau angepasst werden. In der Rückschau in 25 oder mehr Jahren wird man deshalb der Aussage auf dem Flugblatt zustimmen können, nur die Richtung der Anpassung ist eine katastrophale, eine nach unten, die Errungenschaften preisgeben wird.

Sinkende Steuern und Rezession lassen die Infrastruktur verfallen,
amerikanische Verhältnisse werden in Deutschland Einzug halten.

Ist schon die „Präambel“ eine Quelle der Widersprüchlichkeiten und Falschinformation, sind die aufgelisteten Argumente nicht besser. Bei den nachfolgenden Punkten muss man davon ausgehen, dass sie mit Präsidium, Vorstand und der Kanzlerin abgestimmt wurden, dass sie nicht von einem unbezahlten Praktikanten per Cut&Paste zusammengesammelt wurden.

Die Parteivorsitzende trägt auch für derartige Positionspapiere ihres Bundesgeschäftsführers die Mitverantwortung. Es ist dies Dr. Klaus Schüler, bei dem sie sich Fragen stellen sollte. Beispielsweise ob er der Aufgabe und den Anforderungen der Zeit noch gewachsen ist.

Prekäre Jobs sind keine Errungenschaft

Als erstes Argument werden 200.000 neue Jobs in Deutschland und 1,3 Millionen europaweit in Aussicht gestellt. Wie das bei sinkenden Preisen auf beiden Seiten des Atlantiks funktionieren soll ist ein Rätsel. Eine durch die verschärfte Deflation zu erwartende Rezession vernichtet Arbeitsplätze beiderseits des Atlantiks. Zur Erinnerung, es werden fallende Preise erwartet, Deflation, wirtschaftliches Chaos und Rezession. Das vernichtet Arbeitsplätze, schafft keine, „hilft“ Menschen Arbeitssuchende zu werden.

Dann kommt ein Abschnitt zu „gute soziale Absicherung“ mit einem dialektischen Trick oder einer unbedachten Äußerung von Naivität. Es kommt das „Wir“ zum Einsatz, ohne dass klar wird, wer „Wir“ sind. Deutsche, Europäer, europäisch-amerikanische TTIP-Gemeinschaft? Im Bereich Deutschland und der EU kommen diese Standards durch die sinkenden Preise unter Druck. Sie werden gefährdet, nicht gesichert. In vielen Betrieben bedeutet 1% Preissenkung einen Gewinneinbruch von 20-50% und damit eine Gefährdung der Arbeitsplätze und der sozialen Standards. Freiwillige Sonderleistungen entfallen sofort, die anderen werden in den folgenden Tarifrunden zur Disposition gestellt. Die soziale Absicherung wird den niedrigeren weltweiten Standards angepasst werden.

Mehr Quantität ist nicht mehr Qualität

Im nächsten Argumentationsschritt werden „Mehr Produkte, bessere Auswahl“ versprochen. Abgesehen davon, dass hier ein Argument aus dem Anfangstext recycelt wird, wird es durch Wiederholung nicht richtiger. Aber der weitere Text entlarvt eine der größten Schwächen und Proleme von TTIP, mit vermutlich katastrophalen Auswirkungen. Hier wird die Erleichterung des Warenverkehrs durch wegfallende Zulassungsverfahren angekündigt.

Hier erfolgt die Bestätigung, dass die mühsam errichteten Sicherheits- und Qualitätsstandards des europäischen Marktes aufgegeben werden sollen, zugunsten von Produkten, die keinerlei Restriktionen unterliegen und nur durch Selbstverpflichtungen und Absichtserklärungen der amerikanischen Produzenten einer abhängigen Eigen- oder Verbandskontrolle unterliegen.

Eine präventive Prüfung und eine Positivzulassung wie in Europa ist in den USA unbekannt. Man muss nicht erst das Beispiel der gigantischen Rückrufe bei GM anführen oder die unbekannte Zusammensetzung von Chemikalien um zu sagen,  Mehr unsichere Produkte, erschwerte Auswahl durch mangelnde Transparenz, Verwässerung der Produktqualität.

Preisverfall = Umsatzrückgang

Und der Gipfel der Absurdität ist das Versprechen von „günstigeren Waren“. Auch das wiederholt nur das Pseudoargument von sinkenden Preisen, das in Wahrheit die Aussicht auf Gewinneinbrüche bei den Herstellern ist und die Vorstellung, dass Autopreise nochmals um 20% sinken könnten, nachdem viele Hersteller bereits 30% Rabatt gewähren, dass sich die Listenpreise halbieren könnten, diese Vorstellung ist nicht mehr nur naiv, die ist dumm und einfältig.

Leere Supermarktparkplätze durch sinkende Haushaltseinkommen 
(Foto Simulation)

Im Moment liegt der Importzoll für amerikanische Autos bei 10%. Die Bearbeitungspauschale der Logistikunternehmen für die „Bürokratie“ beträgt rund 30 €. Das bedeutet, dass ein Auto demnach nur 300 € kosten dürfte, damit diese Einsparung sich auf 20% addiert. Und wie Bekleidung und Textilien profitieren sollen ist ein Rätsel. Die Produktion dieser Produkte in den USA und Deutschland beträgt weniger als 5% des gesamten Marktes. Und die Aussicht, dass beispielsweise Milch und Brot um das angekündigte Drittel billiger wird, heißt nichts anderes als dass TTIP der Ruin für die deutsche Landwirtschaft, Bäcker und Metzger sein wird.

Deflation ist kein Reallohnwachstum

Die ganze absurde Argumentationskette gipfelt in der Feststellung, dass man „Mehr im Geldbeutel“ haben wird, dass die Reallöhne steigen würden. Damit kann nur der Deflationseffekt gemeint sein, Eine Deflation, die die bisher beschriebenen Veränderung hervorrufen könnte. Effekte, die Arbeitsplätze vernichten und Unternehmen in die Insolvenz treiben. Arbeitnehmer werden ein Drittel weniger in der sprichwörtlichen Lohntüte haben, wenn die erzielbaren Preise um ein Drittel fallen. Dass sie wahrscheinlich nur noch den Hartz4-Satz haben, das verschweigt diese Argumentation. Es stimmt, Menschen mit Hartz4 sind kein Teil der Reallohn-Berechnung – wer keine Arbeit hat, bekommt keinen Lohn.

Der Wert des Euro steigt nach TTIP nur durch Deflation, die realen Haushaltseinkommen sinken durch höhere Arbeitslosigkeit und eine schrumpfende Wirtschaft.

Düstere Aussichten für Deutschland und Europa!

Und woher weiß ich, dass die Wirtschaft schrumpft? Ich kann es nicht wissen, aber das Flugblatt der Unionspartei kündigt Preisverfall von 20 und mehr Prozent an. Wenn das stimmt, dann schrumpft auch die Wirtschaft um diesen Betrag. Auch der zusätzlich Markt jenseits des Atlantiks fängt dies nicht auf. Wenn ich statt eines Kuchens zwei habe, dann hört sich das gut an, wenn ich aber auch die doppelte Anzahl Esser habe, dann ist für jeden genauso viel übrig wie vorher.   

Der Gesamtmarkt diesseits und jenseits des Atlantiks wird durch TTIP nicht wachsen, er wird nur neu verteilt, mit mehr Druck, schwächerem Verbraucherschutz und verwässerten Sicherheitsstandards. Und kein Wort dazu, ob TTIP die Transaktionssteuer und die Tobinsteuer vorbereitet oder gar festschreibt und damit die Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig macht. Und kein Wort dazu, dass TTIP den Dollar stabilisiert und dadurch auf Jahrzehnte hinaus die Importpreise für Rohstoffe und Vorprodukte, die in Dollar fakturiert werden, nicht stärker verfallen lässt.

Dieses Flugblatt bestätigt eher die ärgsten Befürchtungen, als dass es Argumente für TTIP liefert.